Drei Tage auf See – Mallorca erwartet uns

Flagge

Vier Nächte des Wartens in der Marina von Calasetta im äußersten Westen Sardiniens waren genug. Wir wollten weg. Nicht, dass uns der Marinero nicht unterhalten hätte. Headbangend saß er immer in seinem Büro mit Rammstein aus dem Laptop. Die Menschen hier waren nicht das Problem. Das Problem war eher, dass uns eine lange Überfahrt bevorstand, eine ungemütliche obendrein und schon am Donnerstag abends soll es bei Menorca auffrischen, bis zu 25 Knoten. Das wollten wir uns sparen. Also raus in die Wildnis – sind eh nur 250 Meilen bis zu den Balearen. Drei Tage hatten wir Zeit, laut Wetterberichten. Viel Wind unten an der Nordafrikanischen Küste, viel Wind im Golf von Lyon im Norden – und wir – dazwischen. Schon 20 Knoten auf der glatten Wasserfläche, gepaart mit aufschiebenden Wassermassen ergeben eine speibüble Suppe – auf Dauer.

Aber bloß nicht ohne Sprudel fahren – wer weiß schon, wie weit uns der letzte Champagner-Tank bringen würde … Wieder mal gabs keine Tankstelle in der Marina, wir mussten auf die nahegelegene Insel Carloforte zum Tanken – eine Stunde Fahrt. Tiefgang nur 1,5 Meter, wir haben 1,4 unter Wasser – puh eine kleine Welle und es wird eng. Ein geschäftstüchtiger wie freundlicher Marinero griff uns schon weit vor der Hafeneinfahrt mit der Gummiwurst auf und fragte nach unserem Tiefgang. Alles paletti, wir legten an. Tanken? Ja tanken könnten wir, und er zeigte auf die Straße. Wir sahen seinem Fingerdeut mit großen Augen folgend zu, auf die Hauptstraße, auf eine Kreuzung – dahinter eine Agip – leider keine AWI. Ja ja, er nickte freundlich. Zum Glück bauen die Italiener ihre Tankstellen so nahe an ihre Marina-Büros, dass man sie vom Pier aus sehen – und per Kanister sein Boot betanken kann.

Einen Sicherheitsanruf tätigten wir noch (auf Anraten des Kapitäns): Wenn wir uns am Samstag bis Mittag nicht telefonisch gemeldet haben, so solle man uns doch suchen lassen. Und gleich darauf gings hinaus aufs offene Meer. Meterhohe, knallharte Wellen rollten von vorne an und hoben uns und alles rund um uns als auch in uns (Mägen, Blasen, Gehirne) einige Meter in die Höhe, im fünf Sekundentakt. Komischerweise rutschte das Herz kurz in die Hose — nach einer Eingewöhnungsphase kams aber eh wieder an den richtigen Platz.

Die Wellen standen hoch, weil der Meeresboden hier sehr steil nach oben steigt (es ist ja immer gut, wenn schlechte Dinge eine fachlich-fundierte Erklärung kriegen). Wir segeln einfach weiter, draußen wirds sicher besser, da glättet sich der Meeresboden. Das Meer mags nicht, wenn es zu viel zusammengedrückt wird (erster Merksatz in diesem Blog).

So wars dann auch, die Wellen waren zwar noch hoch, aber gutmütig…. langgezogen, ohne Gischt mit gutem Abstand dazwischen hoben sie uns hoch und setzten uns hernach wieder nieder. Kindbert hat es mit dem Götterblitz im Prater verglichen, obwohl er niemals damit fahren würde.

Der Windgott meinte es besser mit uns als der Wassergott. Konstanter 3-er Wind von Nord bei Kurs West, das ergibt ein leichtes Amwindsegeln. Ilva stampft gemütlich, rollt dafür aber nicht. Der Windfahnensteuerung gefiels ebenso. Wir mussten kaum steuern auf diesem fünfzig Stunden. Nur in der Nacht verließ uns der Wind und wir ließen unseren Perkins straucheln. In der Nacht wars auch immer etwas unheimlicher als am Tag. Das gewittrige Wetterleuchten von Nord-Ost und Süd erinnerte uns stets daran, Kurs zu halten und schnell zu bleiben. Aber, mehr als hohe Wellen waren zum Glück vorerst nicht drin.

Dies war dennoch hinlänglich genug für uns —- es belebte alle Dinge. Der eben noch brav liegende Senf hüpfte bei plötzlicher Welle grandios mit einem Looping auf den Rand der eben vorbereiteten Salatschüssel, welche gemäß den Hebelgesetzen freudig den Salat durchs halbe Cockpit schleuderte. Na ja, gibts halt Hamburger ohne Salat. Es klapperte, klimperte, ächzte und klopfte überall, das Backrohr mit seinen Innereien schrie lauter als der AIS-Alarm (ja auch dieses Gerät konnte wieder nicht umhin, alle verlorenen Ziele immer wieder neu zu melden).

Es war wie im Spukschloss, wo sich die Gänge verbiegen, Stufen plötzlich nicht mehr gerade sind, Haltegriffe aus der Reichweite verschwinden, alle Ecken und Kanten den Gliedmaßen entgegenspringen – gottlob sind wir nicht schlecht gepolstert. Klogänge wurden zur Expedition und der Abwasch zur Grauwasserdusche. Letztlich haben wir uns auf das Mindeste beschränkt. Sitzend oder im Cockpit liegend, eine(r) am Ausguck. Nur Kindbert schaffte es, geistige Leistungen zu erbringen: Fernsehen und Games am Handy konnte er am Rücken liegend gut aushalten.

Ein dunkles ruderndes Objekt entlockte dem seekranken Papabert dann doch einen Stellungswechsel: eine Schildkröte paddelte mutterseelenalleine durchs offene Meer. Wo die wohl ihre Eier abgelegt hat?

Ein Blick aufs Navi zeigt an, dass wir schon zu weit nördlich segeln und wir wundern uns, warum unsere Windsteueranlage keinen Kurs unter 270 Grad schafft – dummes Ding, muss ein Dilettant gebaut haben (???) – wir steuern von Hand und merken, dass ein Kurs unter 270 schlichtweg unmöglich ist. Die Wellen sind so stark, dass sie Ilva immer nach Norden versetzen. Jede Richtungsänderung wird zur Aufgabe an Mensch und Maschine – und zur Bewährungsprobe für die Ruderanlage.

Wir zählen Wellen, Sterne, Stehminuten im Cockpit, Stunden, Seemeilen vor und zurück. Es ist uns nicht gelungen einen Witz oder einen Schüttelreim zu erfinden, so geschüttelt waren unsere Gehirne. Drei Tage im selbem Gewand, salzverkrustet, unfriesiert, auf unseren Schlafsäcken eng am Boden beisammen sitzend (oder meist liegend) wie Hausbesetzer aus den späten Achzigern, so kamen wir schließlich auf den Balearen an – und wollten so schnell wie möglich bei Menorca ankern, in den Hafen einlaufen, stehen bleiben, ausruhen. Aber im Hafen meldete sich niemand und dunkel war es auch noch. Die Steilküste, an der die Gischt hoch aufspritzte, lud auch nicht gerade zum Ankern ein. Mittlerweile haben wir Schiss vor so engen Schluchten, vor allem mit diesen verschlafenen Augen und diesem vielen Wind. Schnell war klar, wir fahren noch 50 Meilen weiter nach Mallorca, denn, da wollen wir ja wirklich hin und außerdem kommt doch übermorgen unsere Freundin an. Seekrankheit und Migräneanfälle mal beiseite – Kurs SW, Wind von hinten und nochmals Ritte auf Wellen und durch Täler bist speibst. Nochmal acht Stunden Geschaukel, dann die Einfahrt in die Cala Porto Cristo suchen und anlegen, untypisch mit elegantem Einkehrschwung, mit Pirouette in die Garage. Noch ein Blick rundum vom Boot aus: Häuser, Menschen, Straßen, Busse, Kaffeehäuser, Burgerking (oh ja…..), alles da. Freuen, stolz sein und schlafen bis der Hunger das Schlechtweh endgültig besiegt. Ausschalten.

Yacht PortoCristo Lifesaver Felsen Esel Aft

Kategorien: Reise Angenehm, Törns | Schlagwörter: , , , , , , , , , , , | Ein Kommentar

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Ein Gedanke zu „Drei Tage auf See – Mallorca erwartet uns

  1. Herr Klaus

    Bin froh dass ihr die AWI-Tankstelle und ihre Qualitäten noch nicht vergessen habt, lese immer eure Berichte, und wünsche euch noch eine tolle Reise!!!!
    MfG Herr Klaus

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