Nobel in Andratx

Noch bevor man in die Bucht von Andratx einläuft, erahnt man schon, dass es sich hier um eine besondere mallorquinisch-deutsche Noblesse handeln muss, die in diesem Hafen Einzug gehalten hat. Die Häuser stehen bis auf die Felsspitze mit samt Terrasse inkl. Griller und Fußballplatz direkt am Abgrund, hundert Meter über dem Meer. Gleich links neben der Hafeneinfahrt (an der linken Flanke) steigen Hotelgebäude spiralweise den piniengrünen Hang empor. Monochrom und rhythmisch ziehen sich die Hotelanlagen wie Korkenzieherahorn nach oben. Auf der rechten Flanke liegt ein Kai mit Restaurants, Bars, Geschäften, eins nach dem anderen – und bequeme Anlegenstellen für Dinghis (wo man sich auch mit langen Roben nicht das Haxerl verstaucht oder das Popscherl unsittlich benässt) verstehen sich von selbst. Immer, wenn wir mit unserem fahrenden Ikearegal anlegten, gabs leises Gelächter von den Tischen.Endlich mal Schluss mit BummBumm – Ballermann-Songs, hier gibts Sangria nicht mehr in Kübeln, sondern wahrscheinlich in Stamperln. Zum selben Preis? Wir habens nicht überprüft. Weiter vorne an der Hafeneinfahrt thront ein Gebäude, das nachts wie ein Disneyschloss aussieht, untertags wie ein Botschaftsgebäude mit Fahnenstange. Wohnt da wer? Laut Hafenhandbuch vom Jahr 1980 ist Andratx ein „Fischerhafen, der von Schwammtauchen und Hummerfang lebt“. Jetzt ist der Ort eher eine Tourismus- und Shoppingverführung auf angenehmstem Niveau. Die Schwämme kommen nur noch aus dem Fernseher, die Hummer aus China, zugegebenermaßen zu klein portioniert auf den Sushi-Reis. Fische gibts zwar keine mehr, manche Mallorquiner fischen aber noch immer an den Piers des Hafens – mit Bier und Zauberkraut. Und alles spricht Deutsch, es wird sogar auf der Straße in Deutsch gezankt und gestritten – und das gar nicht nobel. Kindbert zieht ein Schnoferl. Wie die miteinander umgehen … rasch schieben wir ihn weiter.Am Sonntag trauten wir uns eine Wanderung zu. Über Mittag, weil wir immer so spät aufstehen (ein schon fast liebgewonnenes Ritual, das uns durch unsere Reise begleitet). Das Wetter sollte aber passen, dicke Wolken und wenig Sonne. Die Wanderung selbst sei eine Halbtagestour, mittelschwer laut Wanderführer. Drei Stunden später fanden wir uns unter brütender Hitze auf einem „kurzen Klettersteig“, zwischen aalglatten Felsen, hoch aufsteigenden Felskaminen, Palmen und Adlern. Angekündigt haben sich diese durch ein aasschwangeres Winderl – ob wir so stark riechen? Heiß wärs genug. Wir dachten auch an eine verendete Ziege, bis vier Adler beinahe gleichzeitig von ihrem Horst unter uns aus den Felsen rausstarteten. Schnell, groß, wohlgenährt und edel (passend zum Hafen); irgendwie wie kleine Flugzeuge. Insgesamt zählten wir einmal elf Adler am Himmel kreisend. Pädagogenherz, was willst du mehr?Kindbert fand auch geduldige Gesprächspartner. Aber nicht in andern Kindern, denn die sind anscheinend auch sonntags nicht zum Wandern zu bewegen, sondern in Form von anderen jungen Wanderpaaren, die sich sichtlich ohne Mühsal, seine Geschichten vom Seefahrerleben anhörten. Ohne Berührungsängste erzählte er ihnen von unserem Schiff, unseren Eigenheiten und von seinem Gregg aus dem Tagebuch, dessen Mutter ihm die Idee mit dem Tagebuch aufgebrummt habe, und und und.Am Gipfel der Wanderung begegneten uns ca. 100 Studenten in einem Kloster vom Jahr 1700, beschmiert mit tiefschwarzer Asche, die ihre Jausenpause dort abhielten und scheinbar an irgendeinem Pflanzprojekt arbeiteten. Der ganze Hang war für Wiederaufforstungen niedergebrannt worden. Was hier aber botanisch vor sich ging, ahnten wir nicht. Kein Shop – hierher kommt nur, wer zur Demut bereit ist und den Büßergürtel eng geschnallt hat. Bereits die Trapisten haben hier nur gebetet und geschwiegen. Da braucht man wegen ein bisserl Durst und Hunger auch jetzt nicht meckern, nicht mal Mamabert (fast nicht). Gottlob steht ein Mandelbaum im Hof – der tuts auch – gemeinsam mit dem warmen Wasser – gut geschüttelt am Rücken bei 30 Grad (ja, da oben ist es noch heißer). Die müden Beine konnten sich erst eineinhalb Stunden später am Strand von Sant Elm erholen. Zum Glück haben Beine kein Beschwerdemanagement, nur die Krampfadern.

Nachts sieht Andratx aus wie eine Zauberstadt am Meer, ein bisschen Waltdisney, ein bisserl Lech am heilig Abend, auch mit Lugano könnte man es verwechseln (nur wenn man mit dem Rücken zum Meer sitzt). Fette Karossen, riesige Fischerboote, die nichts fangen, fein aussehende Leute am Parkbankerl, die zum mitrauchen einladen, verrückte Welt.
Trotz aller Schönheit hat aber auch Andratx einen Haken: Das Hafenwasser an der Hafensohle stinkt erbärmlich. Vielleicht war es nur der Luftdruck oder eine besonders garstige Brise. Dem Brautpaar, welches einen Termin mit dem Fotografen am gebogenen Fußgängerbrückerl hatte, schiens nicht weiter aufzufallen…..so wie es stank, hätte sich das weiße Kleid andernfalls ja senfgelb verfärben müssen. Unser Besuch im Eisgeschäft wurde schneller beendet als erwartet – passt eh, weil es war sowieso zu teuer, aber sooo gut. In der Hafenbroschüre lesen wir, dass Yachten Grauwasser, Bilge und Fäkalien abpumpen lassen können – gratis. Die Hafenbetreiber wollen die Wasserqualität verbessern. Finden wir gut – hatten wir bisher noch nie gesehen. Außerdem verpflichten sich die Hafenbetreiber, im nächsten Jahr 1 Prozent des Stromverbrauchs einzusparen. Das wird, so glauben wir jedenfalls, oder könnte bei gutem Wind eventuell, möglicherweise, vielleicht fast gelingen.

1_Ballermann 2_Wolke 3_ 4_Port1 5_Wandern1 7_Dracheninsel 10_Abend

Kategorien: Reise Angenehm | Schlagwörter: , , , , , , , , , | Ein Kommentar

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Ein Gedanke zu „Nobel in Andratx

  1. dieherbstis

    Auch für uns ist Port Andratx ein geliebter Anziehungspunkt, zugegeben-Anreise per Fiat Panda.
    Wir zählen wohl zu diesen wanderfreudigen Paaren, die auch da hinauftraben. Doch zu eurem Trost: Zweimal versucht, zweimal gescheitert – natürlich nicht aus konditionellen Gründen sondern kindbedingt… Ja, die verlangsamen so ein Leben ganz schön. Also: Respekt für euch Drei!
    Wir denken oft an euch – weiter so und lebt meinen Traum! 🙂

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