Monatsarchiv: Juli 2014

Nochmals zurück zum Golf von Lyon, aber anders

18. Juli 2014. Es ist 1:13 Uhr, stockdunkle Nacht. Kurs 65. Es geht Richtung Coté ´d Azur quer zum Golf von Lyon. Wir hatten die Überfahrt gewagt, queren gleich den ganzen Golf. Das Wetter war gut angesagt gewesen, mindestens drei Tage sollten angenehmste Segelbedingungen herrschen. Nun aber ist Wind aus Nordwest aufgekommen, nicht viel aber immerhin mehr als in der Vorhersage. Wir sitzen zu zweit im Cockpit, trinken Grüntee und essen Kekse von vorgestern. Die Dinger sind irgendwie feucht. Aber was solls. Chips hängen jedem schon zum Hals raus. Etwas Süßes zu früher Stunde? Ja bitte gerne.

Jedenfalls gefällt uns der aufkommende Wind gar nicht. Wir checken nochmals die Grip-Files und schauen, ob wir vielleicht etwas übersehen haben, irgendwelche kleinen Huster von unserem so gefürchteten Windchen mit dem wohlklingendem Namen „Mistral“. Nein. Max vermeldet, es dürfte nicht mal ein Hauch von einem Windchen zu spüren sein. Nicht in der Nacht. Na gut, dann wird sich das gleich legen. Vermutlich nur ein kleines Druckspielchen zwischen den Luftdrückchen dieser Gegend. Plötzlich füllt sich das Segel. Wir werden eine Spur nach Steuerbord versetzt. Verdammt, was ist das? Die Windvane gleicht den Kurs gleich wieder aus. Wir fahren jetzt 2 Knoten schneller. Ilva legt sich auf die Seite und beginnt, leicht in den anrauschenden Wellen zu stampfen. Max fällt der Keks aus der Hand. Er ist zum ersten Mal mit einem Segelboot unterwegs. Ist eigentlich mehr ein Freund von rollenden Maschinen (genannt Autos), die auf der Straße so gar nicht von den Elementen abhängig sind. Segeln in der Nacht ohne was zu sehen ist so gar nicht sein Ding.
Plötzlich vermeldet das AIS einen Alarm. Nun gut, ein Tanker kreuzt unseren Kurs. Die kommen von Marseille und fahren Richtung Barcelona oder sonst wo hin. Ich hechte zur Windvane und versetze unseren Kurs etwas mehr Richtung 70. Das wird sich ausgehen, der Wind wird sich ja auch gleich wieder legen, versichere ich Max. Die Grip-Files zur Wettervorhersage haben bis jetzt immer gestimmt.
Plötzlich trifft uns die nächste Böe. Es ist keine Böe, es ist Wind, stetig, kräftig. Er ist kühl und trocken, so wie der Mistral. „Habe ich gerade Mistral gesagt?“ Verdammt, nochmal mehr? Sollen wir gleich reffen oder hört das Spiel gleich hinter den nächsten 25 Wellen wieder auf? „Wir gehen kein Risiko ein“, rufe ich zu Max. Wir reffen die Segel. Groß ins 2. Reff, auch die Genua rollen wir leicht ein. Mit dem 1-Leinen Reff-System ist das keine Schwierigkeit. Wir schießen in den Wind, verkleinern die Segel, fallen wieder ab.
Hier ist etwas im Gange. Ilva stampft wie wild auf den Wellen, die mittlerweile – Respekt und Dunkelheit abgerechnet – schon sicher 2 Meter hoch sind. Ich tue so, als sei das alles normal und gebe mich abgebrüht. „Das ist nur ein kleiner Druckunterschied hier mitten im Golf. Das müsste sich normalerweise gleich legen“, sage ich, ohne nun aber bald selbst nicht mehr dran zu glauben. Max schaut mich finster an. Vielleicht denkt er, ich verarsche ihn? Mittlerweile ist Herbert, das dritte Crewmitglied erwacht. Er hängt zwischen den Handläufen im Salon und fragt, ob er nun ein paar Stunden oder ein paar Tage geschlafen haben. „Ist alles ok“, vermelde ich. Das kleine Windchen dürfte eine kleiner Ausrutscher des Wettergottes gewesen sein. Der Wetterbericht verspricht eigentlich Totalflaute zwischen 22 und 6 Uhr früh. „Das wird sich gleich legen“, sage ich. „Aber wenn wir schon dabei sind, legen wir doch gleich die Rettungswesten an“, ergänze ich, „wer weiß, was noch kommt“. Und es kommt. Der Wind nimmt stetig zu, nun schon mindestens Windstärke 4. Die Wellen rauschen vom Norden heran und schieben sich unter unseren Hintern durch. Nun sind schon Schaumkronen zu sehen. Die Wellen überschlagen sich langsam immer öfter. Sie zischen laut.
Max wird langsam aber sicher unwohl. So habe er sich das nicht vorgestellt. Ja, ich weiß. Ist alles kein Problem. „Das Wasser kann Ilva nichts anhaben“, versichere ich ihm, weder bei Tag noch bei Nacht, weder bei Sturm, noch bei Flaute. Niemals! Nun gut, wir knallen nun auf Halbwindkurs fast schon mit 7 Knoten in Richtung Isle de Hyeres, Porquerolle oder die Nachbarinsel. „Bei dem Wind sind wir jedenfalls schneller da als erwartet“, sage ich. Ein bisschen Spaß, ein bisschen Optimismus bei allen Wetter-Unstimmigkeiten tut immer gut. Langsam aber sicher ist bei jeder Welle eine weiße Schaumkrone zu sehen. Der Mistral (der immer noch keiner ist, zumindest in meinem Kopf – denn das möchte ich jetzt nicht wahrhaben, um 2 in der Früh) bläst stetig und kräftig. Er nimmt auch in Böen nicht ab. Na das wird ja eine lange Nacht. Ich hole noch mehr Grüntee. Herbert gesellt sich auch ins Cockpit. Im Seglergewand und Stirnlampe versuchte er, sein Buch fertig zu lesen. Die erotischen Schriften von Georges Bataille. Na gut, da wird ihm sicherlich warm ums Herz, denke ich.
Ein lauter Knall. Verdammt, was war das? Ein Ruck geht durch Ilva mit samt ihren an Bord befindlichen Menschen, gefolgt von einem lauten Kratzen unter uns. Ein paar Sekunden lang dauert das. Eine gefühlte Ewigkeit. Eiskalt läuft es mir den Rücken runter. Wir hechten zur Reling, neigen unsere Köpfe Richtung Wasser, versuchen irgendwas im schwarzen Nichts zu erkennen. Was geht da vor sich? „Nichts zu sehen“, vermelden wir uns gegenseitig. Wir blicken uns an, so wie wir uns noch nie zuvor angeblickt hatten.
Eine weitere Böe trifft uns. Noch mehr Schräglage. Dazu kommen jetzt die Wellen wie kleine Panzer aus Richtung Nord und ergänzen sich mit dem Wind zu einer Front, die nur noch gegen uns zu kämpfen scheint. Wir können doch gar nichts dafür, denke ich. Wir sind doch nur unschuldige Bergmenschen mit dem Hang zur Extravaganz, nur ein bisschen Spaß, mehr ist es doch gar nicht. Auch Herbert holt sich seine Seglerjacke. Er verschwindet im Niedergang. „Hat jemand von euch ein Fenster offen gelassen?“, fragt er. Wir verneinen und fragen warum. „Da schwappt Wasser im Boot.“ Was? Wie? Wasser im Boot? Ich gehe nach unten. Tatsächlich. Ein kleines Rinnsal veteilt sich, je nach Lage im Salon. Es schwappt je nach Lage herum. Eine leere Kekspackung schwimmt oben auf. Es ist nicht zu sehen, woher das Wasser kommt. Wie lange brauchen wir noch bis Marseille? Ich krame die Karten hervor, trage unsere jetzige Position ein und messe. Immer noch 35 Seemeilen. Das sind mindestens 6 Stunden. Bis dahin wird es jedenfalls schon hell sein. Ich spüre, wie das Wasser langsam aber sicher höher steigt. Nun geht es mir schon bis zu den Knöcheln. Ich reiße ein Schapp nach dem anderen auf, hole mir den Taschenlampe und schaue, wo dieses verdammte Wasser herkommt. Es ist jedenfalls Salzwasser; also kommt es von draußen. Die Sache mit dem einlaufenden Wasser hatten wir schon mal vor mehr als einem Jahr. Damals war es aber nur das Wasser vom bootseigenen Tank. Nun garantiert nicht. Es ist salzig und bitter im Abgang. Ich kann nichts entdecken, kein Loch, keinen Riss. Aber alle Verkleidungen kann ich auf die Schnelle nicht entfernen. Und schon gar nicht bei dem Geschaukel.
Hatten wir tatsächlich etwas gerammt? Ungläubig und nicht mehr ganz so guter Dinge schaue ich nochmal auf die Seekarte. Welcher Weg ist der Kürzeste zur Küste? Nach Norden sind es nur etwas über 20 Seemeilen. Das wäre aber fast gegen den Wind. Das bedeutet stampfen und ein böses Auf und Ab über Stunden. Wir besprechen kurz die Lage. Ich gebe mich immer noch ruhig, sofern das noch glaubwürdig rüberkommt. Wir beschließen, nach Norden zu gehen, an die Küste, in den Hafen oder in der Nähe von Land, jeder hier an Bord möchte Land sehen, Land spüren, Handstände, Purzelbäume oder was weiß ich machen. Es geht jetzt nicht mehr um Urlaub, es geht ums Überleben. Nur irgendwie ans Land kommen.
„Wir brauchen keine Angst haben. Die Pumpen sind stark genug, um das bisschen Wasser abzupumpen. Das ist kein Problem“, höre ich mich sagen. Der Wind hat es sich nicht anders überlegt. Er ist gekommen um zu bleiben. Er hat nochmals zugegelegt. Windstärke 6, nach meiner Schätzung, ein klassischer Mistral aus Nordwest, der üblicherweise noch zunimmt auf 8 Beaufort.
Wir rollen die Genua ein, entkoppeln die Windvane und schießen in den Wind. Ilva stampft in den anrollenden Brechern. Manche von ihnen schlagen schon aufs Deck. Ich gehe zum Steuerstand, starte die Maschine. Sie kommt nicht. Nochmals. Vorglühen, ganz langsam bis sieben zählen, dann den Schlüssel rum. Der Starter kullert, aber die Maschine kommt nicht. Ich habe schon lange beschlossen, nicht mehr zu fluchen. Genau jetzt wäre das Gift für unsere Sandmühlen. Ich versuche es nochmal. Ich denke an einen Schwarzen Verlängerten mit Cremeschnitte bei der Aida im 9. Bezirk. Sonnenschein, verspiegelte Wände, die Kellnerinnen in ihrem Rosa-Dress. Das beruhigte mich immer. Ich denke an die Vitrine mit den Köstlichkeiten, Kardinal-Schnitte, Majonaise-Ei. Sieben. Nochmals starten. Der Starter arbeitet. Nichts passiert. Ilva stampft. Wir sitzen im Cockpit wie auf einem wild gewordenen Stier und schauen uns an. „Nun Leute wird es langsam ernst. Wir reißen uns jetzt zusammen und bringen das Boot zur Küste. Wenn nicht mit der Maschine, dann unter Segel. Wer will noch Tee?“ Niemand wollte Tee.
Auf einmal höre ich eine Ente quaken. Quak, Quak, Quak, Stilles brummen. Ich öffne die Augen. Ich reiße die Tür ins Cockpit auf. Max und Herbert liegen auf den Cockpit-Bänken. Beide heben die Köpfe. Ich sehe nichts als Zähne. Nichts von Wind, Unruhe, Nervösität oder gar Wellen zu sehen, hören oder spüren. Ich habe geträumt, jetzt ist es fix. Niemand bewegt sich schneller als üblicherweise auf einer Segelyacht. Worte werden gewechselt, der Himmel bestaunt. Eine schöne Szenerie. Die Maschine brummelt ruhig vor sich hin, der Autopilot bemüht sich. Fast kann ich es nicht glauben. Ich beruhige mich. Meine Schicht beginnt. „Wir kommen bald in die Nähe von Marseille“, vermeldet Max. „Ach ja, danke, ich komme gleich. Nur noch 5 Minuten.“ Ich knalle meinen Kopf in den Polster, schalte das Gequake des Handys ab. Ich muss mich noch kurz erholen von diesem Traum.

 

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X-haftes Inselerlebnis in Porquerolles

Porquerolles ist ein traumhafter Ort auf einer traumhaften Insel einer traumhaften Inselgruppe der Cote d‘ Azur. Nach unserem 140 Meilen Törn quer zum Golf von Lyon wollten wir mal verweilen, die Gegend genießen, Kulinarik, Leute und Sitten kennen lernen. Wann hat man dazu schon die Gelegenheit?
Der Golf von Lyon war jedenfalls gnädig zu uns. Weitaus gnädiger als erwartet. Er zeigte sich durch einen markanten Hochdruckeinfluss von seiner zärtlichsten Seite. Zunächst ging es vom östlichsten Spanischen Ort an der französischen Grenze einige Stunden mit der Windvane auf Halbwindkurs mit 6 Knoten Richtung Marseille, dann nach Sonnenuntergang bei Flaute mit Autopilot und Maschine weiter durch eine sternenklare Nacht, in der der Mond sehr spät aufstieg. Wie ein Ei quetschte er sich durch den Horizont um vier Uhr in der Früh. Nur zwei Mal mussten wir die bösen Tanker in der Nacht anfunken, weil wir scheinbar wieder mal auf einem klassisch griechischen Rammkurs mit ihnen waren.

Was haben wir nicht alles schon erlebt? Schönstes Segeln am Wind, auf Halbwind, vor dem Wind, traumhaftes Wetter, noch was? Ja, das Ankern beim Cabo Gros nicht zu vergessen – eine Traumbucht (übrigens: das Wort „Traum“ wird sich, solange wir an der Cote d‘ Azur sind, noch öfter finden, lässt sich leider nicht vermeiden), in der wir alleine lagen, trotz des vielen Yachtverkehrs um die Zeit. Da fand sich auch die Muße für die Reinigung der Propellerwelle. Die war nämlich von Pocken und allerlei Venusmuscheln zugepflastert.

Ach ja, einmal sind wir um Haaresbreite in eine Megayacht gekracht. Beim Einlaufen in das Hafenbecken von Porquerolle wollte zunächst der Tank wieder mal befriedigt werden. Nach 140 Meilen waren wir immer noch bester Dinge. Aber, wie sich herausstellen sollte, waren nicht alle Schicksale auf unserer Seite.
Der Tankwart an der Tanke reichte uns zunächst den falschen Zapfhahn. Aha, oui, der Einfüllstutzen ist ja bei uns an der Backbordseite. No Problem, er wusste ja nicht, dass wir zum Tanken normalerweise 45 Minuten einkalkulieren. Also belegten wir gleich die ganze Tankstelle. Ich kann leider nichts machen. Wir sagten, das sei, weil das Boot schon so „antique“ war.
Also machte der Tankwart Stress. Er brüllte herum und war so gar nicht beeindruckt von unseren Problemen.
Während der potente Saft in unsere schwimmende Heimat läuft, legt eine andere Yacht vor uns am Kai an. Die wollen auch tanken, können aber nicht, da wir den einzigen längeren Schlauch verwenden, blöd auch. Die Skripperfrau zeigt uns eine leere Wasserflasche. Wir kennen uns nicht genau aus, was das heißen soll, interpretieren das mit: „Wollt ihr in der Hitze vielleicht ein kleines Wässerchen, das ich euch schenken möchte?“ Wir verneinen grinsend.
Nachdem nun schon jeder uns von hier loshaben will, haben wir mittlerweile 100 Liter Diesel, ok, nach 20 Minuten, wir geben uns zufrieden. Schon nimmt die Yacht vor uns den Schlauch aus unserern Händen. Sie tanken 5 ! Liter und sind in ca. 10 Sekunden fertig. Aha, oui, die Frau wollte uns nur zeigen, dass sie so ganz klein wenig Diesel bräuchten. Ok, wenn uns das wer gesagt hätte, …. der Trick mit der Wasserflasche war uns echt zu hochgeistig.

Weg von hier. Ablegen. Ich krame erst jetzt die Leinen raus, die ich zum Wenden unserer Schwimmstube gebraucht hätte. Ilva wollte in den Häfen nämlich immer wieder gerne mal mit den Leinen in die richtige Richtung gedreht werden – das erleichterte das Ablegen ungemein, ist sicherer und stressfrei, dauert aber auch sicher 10 Minuten.
Bei all der Kramerei merke ich, dass die Leute um uns immer unentspannter werden. Ich ernte böse Blicke, die kompetenten Crewmitglieder auf der Ilva versuchen zu kalmieren, so gut es geht. Die Tankwarte schauen, die Franzosen auf der vorderen Yacht schauen, und all jene schauen, die auf Motorboot, Segler oder Trimaran schon neben der Tankstelle die Kreise drehen, weil auch sie aufs Tanken warten. Irgendwie wird die Sache nun eng. Wir alle verstehen die Lage der Tankwarte und auch die Lage der Urlaub-Machenden, denn vermutlich muss jeder von ihnen bald wieder in die Fabrik.

Oje, denke, das mit der Schiffs-Wendung per Leinen wird nun nichts mehr, der Tankwart befielt uns quasi, nun – er meinte tatsächlich NUN, abzulegen.
Der Wind steht jedenfalls schlecht, er ist viel zu stark, böig, trifft uns genau von hinten, und das mag Ilva gar nicht. Ob wir den Bug gegen den Wind drehen können, in der Enge? Links von uns liegt die Superyacht mit dem extra polierten Gelcoat und Fendern so groß wie Raumkapseln. Vor uns liegt die Yacht der Franzosen, die ohnehin nicht mehr gut auf uns zu sprechen sind, weil wir so lange gebraucht hatten.
Ich lasse mich überreden (ich sags gleich, das werde ich nicht mehr tun, nie wieder). Nun gut. Verdammt, versuchen wirs. Drehen wir Ilva per Maschine. Legen wir ab und verpissen uns von diesem stressigen Ort. Wird schon gut gehen.
Hinten am Achterdeck steht ein kompetentes Crewmitglied von Ilva und möchte – so wie vorher besprochen – die Leine ins Boot holen. Die Leine wird aber vom Tankwart an einem Poller an Land fixiert, ohne das jemand weiß. Die Leine spannt. Es gibt einen Mords-Ruck. Wir stehen. Wir stehen in einen Mini-Hafenbecken, das von drei Seiten durch Schiffe, also kleinere und größere schwimmende Häuser, begrenzt wird, im Wind, der nun von der Seite einwirkt und Ilva stetig in eine Betonlücke schiebt, aus der es kein Entrinnen gibt. Es wird langsam wirklich eng.
Der Weg des Bugs Richtung Wind ist dahin, er treibt wieder ab, nun aber schon fast auf Höhe der Luxusyacht. Ich schreie, winke, tue alles, damit dieser Idiot von Tankwart die Leine wieder frei gibt. Siehe da: er tuts – unser kompetentes Crewmitglied nimmt die Leine in einem Affenzahn an Bord.
Es wird am Lenkrad gekurbelt und Gas in allen möglichen Richtungen gegeben. Böse Blicke ernten wir von allen, die uns bei unserer Qual zusehen. Auch Schreie wollen wir verhört haben. Jeder scheint zu hoffen, dass alles gut geht. Wir am meisten. Ilva bewegt sich langsam in einem Becken, so groß wie sie, und möchte so gar nicht gegen den Wind gehen.
Schön, die Luxusyacht ist mit einer fetten Leine an einer Boje mitten im Hafenbecken gesichert. Diese Leine ist in die Richtung gespannt, aus der der Wind kommt. Das ist gut, denn vermutlich können auch gespannte Leinen Helfer in der Not sein. Diese Leine wird uns schließlich die nötige Seitenführung geben.
Wir sind nun schon gefährlich nahe an der Luxusyacht. Die Bordcrew hat sich schon mal am Deck aufgestellt, mindestens drei Meter über unseren Köpfen. Ilvas Bug ist noch nicht ganz im Wind, aber schon fast seitlich zur Luxusyacht. Unsere Fender sind hier wirkungslos, denn die Bootsform dieses Superdampfers wird nach oben hin extrem breit. Luxus eben. Fast schon kracht unsere Saling am Mast in die Nase der Marineros. Aber das ist nicht alles. Unser Griller möchte scheinbar auch noch ein paar nette weiße streifen in den Gelcat schreiben.
Die Spezialisten von Ilva hasten nach hinten ans Heck und versuchen sich mit allen möglichen, auch mit dem Bootshaken abzuzstoßen. Es gelingt. Der Gummigriff des Bootshakens schreibt nette Kreuzworträtsel in den Gelcoat, die Crew am Luxusliner schaut verdächtig nach unten. Es wird lauthals gemeckert. Der Bug schlägt um, wir sind durch den Wind, raus da. Ohne uns nochmal umzudrehen geht’s die paar hundert Meter weiter an eine Mooring-Boje.
Schon 5 Minuten nach dem Bootsgemetzel und dem geglückten Bojen-Manöver können wir alle darüber lachen. Ab nun ist Alkohol erlaubt, wir verlassen Ilva mit unserem Ikea-Regal mit Außenbordler und entern die Bars in Porquerolle. Die Nacht wird noch lange dauern.
Nächstes Ziel ist Cavalaire, ein Ort in der Nähe von St. Tropez. Auf einer Halbinsel gelegen dürfte das einer der schönsten Plätze der Cote d‘ Azur sein. Wir glauben, dass das jedenfalls stimmt.
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Ilva – doch immer wieder Jungfrau

Sonntag, 13. Juli, 7:44. Aufwachen auf Ilva. Ich fühle mich wie ein kleines Kind im Mutterleib. Ilva schaukelt sanft, ich liege in der Kabine, die Sonne scheint, es ist angenehm kühl. Das Wasser spiegelt sich an der Unterseite der Persenning. Nach vier Monaten fühle ich so etwas wie Genugtuung. Ich weiß noch, wie wir von hier abgereist sind, Anfang März, von El Masnou, der Stadt mit Bahnhof. Genau dort kann ich nun wieder andocken. Entspannung, Hochgefühle, Erinnerungen an unsere 1-jährige Reise.
Was haben wir auf Ilva alles erlebt? Auf engestem Raum türmt sich Erinnerung an Erinnerung. Jeder Blick ruft was anderes wach. Steuerstand, Mast, der Mistkübel im Cockpit. Wer hat da schon aller reingekotzt?
Als wir gestern Ilva zum ersten Mal nach vier Monaten wiedersahen, lag sie genauso da, wie wir sie verlassen hatten. Alles war unverändert. Die Festmacher hatten nicht gescheuert (wir hatten Gummischläuche drübergesteckt), der Steven war auch nicht in den Steg gekracht, kein Rost. Innen und außen war alles so, als ob wir nie weg gewesen wären. Traum. Wir öffneten den Niedergang und nahmen mal einen kräftigen Luftzug. Muff? Gestank nach Fäule? Moder? Nö, alles nicht. Es riecht wir immer, wie zu Hause in der Hütte mit viel Holz. Schön. Wir öffnen alle Fenster, tragen das Beiboot und den Spi-Baum nach draußen, schauen mal ich die Achterkabine, in die Backskisten, in die Schapps in der Pantry, in die Vorschiffskabine. Alles da, fein. Das einzige, was riecht, ist das Klo. Aber gut, da sind die Schläuche ja noch offen, weil die Pumpe noch repariert werden muss – und zwar heute. Das lässt sich also entschuldigen.
Gute Ilva.
Die letzten drei Wochen war Sturm im Golf von Lyon, 35 Kn. Aber der Luftdruck ist im Steigen. Schon der Flug quer zum Golf von Lyon war turbulent. Die Stewardess warnte uns: „Bitte angeschnallt bleiben, es wird jetzt ein bisschen holprig.“ Schon begann der Flieger zu zittern. Unten am Meeresgrund sah man große weiße Flächen, scheinbar ohne Zusammenhang. Das waren die Wellen, die sich überschlugen. Quer gerillt war aber auch noch hoher Schwell auszunehmen. Von oben schien das Meer wie im Standbild eingefroren zu sein. Wenn das so bleiben könnte!
Dazwischen schoben sich riesige Schiffe Richtung Barcelona. Dahinter war noch die Küste auszunehmen, alles flach. Kein schöner Anblick.
Aber wer hat schon den Luxus, die vor ihm liegende Stecke per Vogelperspektive vorab begutachten zu können?

Heute ist noch eine Menge zu tun: Segel aufziehen, damit sie nicht sinnlos herum liegen, Klo-Pumpe reparieren, den Impeller wieder einbauen, den Dieseltank öffen und nachsehen, ob nicht irgendwelcher Dreck oder Algen drinnen schwimmen und dann versuchen, die Maschine zu starten. Und dann natürlich, das WM-Finale anschauen. Wir haben Zeit bis morgen, denn dann kommt unser Dritter im Bunde, dann soll es am Dienstag morgen losgehen, der Küste entlang Richtung Frankreich.

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Nervosität – oder doch Nervösität?

Liebe Leute, der Wind im Golf von Lyon bläst seit Tagen mit über 35 Knoten. Eigentlich wollten wir diese vom Mistral geplagte Bucht ja möglichst schnell queren, jetzt scheint es, als müssten wir knapp an der Küste entlang schrammen. Nun ja, am Samstag geht es los: Ilva wird zum Leben erweckt. Maschine zum Laufen bringen, Auftakeln, Log-Geber reinigen usw. Einerseits steigt die Vor-Freude darüber, andererseits haben weitere Recherchen ergeben, dass mit dem Golf von Lyon wirklich nicht zu spaßen ist. Bis bald, der nächste Eintrag erfolgt auf hoher See.
IN LIEBE, Bert

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