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Aktiv in Alicante

Papabert plagt schon seit einigen Tagen ein böses Sodbrennen, ein verstimmter Magen, Säure, nicht wegzukriegen. Fettes Essen ist damit tabu, Wein eigentlich auch wegen der Säure, Bier eigentlich auch wegen des Blubbers. Was bleibt übrig? Richtig – etwas Obst und gekochte Erdäpfeln, Reis. Das Einhalten einer solchen Diät wird aber durch den derzeitigen Aktivitäts-Überschuss beim Essengehen verdammt schwierig und man müsste fast sagen, unmöglich gemacht. Soda mit Himbeeren hilft vielleicht, vielleicht auch die besorgten Medikamente.
Aber wir möchten nicht gleich abschweifen. Das eigene Wohl wird ja in Seglerkreisen gerne zurückgestellt. Was macht es schon aus, wenn einem a Schas plagt? Wir leben vom Verzicht und von unserer Ausdauer auch in Krisenzeiten. Wer wird denn schon bei Seegang über die Reling kotzen? Richtig; niemand, außer die Leute, die ehrlich sind, oder die, die keine Chance haben, etwas zu verheimlichen, weil sie Gäste bei uns sind und eine Tour auf die Insel Tabarca ansteht.

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Eventuell war es ein Zeichen der Stressbewältigung. Bei der Insel war nämlich kein Heimkommen in Sicht – der Anker hatte sich in einer Felsspalte verfangen und war trotz aller Versuche nicht mehr raufzuwinden. Böses DUDU!!!! Das passt uns eine Stunde vor Sonnenuntergang gar nicht. Schon gar nicht, wenn die Taucherbrillen das einzige Mal auf der ganzen Reise nicht an Bord sind (ein Mietauto ist doch nicht immer gut – dritter Merksatz in diesem Blog) und die Geschäfte schon zu haben. Papabert fuhr verzweifelt den Ankerplatz auf und ab – auf der Suche nach einer Taucherbrille. Niemand hatte eine, und wenn, dann nur Goggles und mit denen kann man unter Wasser nix sehen. Aber: auf den Käptn ist Verlass – in den Ort laufen (ohne Schuhe), Taucherbrille nicht kaufen, sondern ausborgen – von irgendwem. Im verlassenen Dörfchen konnte er jemanden überzeugen, dass der „Verleih“ seiner Taucherbrille absolut kein Nachtteil für ihr ist (ein junger Spanier verstand anscheinend den Ernst der Lage) und tauchen – such den Anker … mit ausgeborgter Brille und nigelnagelneuer Unterwassertaschenlampe. Auf Eitelkeiten verzichtet man gern, wenn die Stunde fortschreitet, die Jause im Hafen wartet nicht ewig. Mit einigen inbrünstig rübergebrüllten „Gracias“ waren wir auch schon wieder auf dem Rückweg – mit leicht erhöhtem Adrenalinspiegel, aber nix passiert, alles gut. Laut unseren Gästen ist Alicante auch nach unserem Ausflug immer noch einen Urlaub wert.
Zugegeben: vom Meer aus lädt Alicante nicht auf Anhieb auf ein paar nette Wochen ein. Während der Einfahrt in den Hafen sah es aus, als kämen wir in eine total versaute Industriestadt. Auf den Balearen nämlich, kann man schon an das Schöne gewöhnt werden –  die haben den Müll ja ganz hinten am Berg versteckt. Aber hier lag er hoch aufgetürmt in der Hafeneinfahrt, gemeinsam mit Schwefel- und Alteisenbergen. Hässliche Hafenmauern, Wracks, die halb aus dem Wasser ragen, Hochhäuser, die wie Soldaten in der Landschaft stehen, quasi nach der Reißbrettmethode (vielleicht eine spanische Architekturdisziplin?), Flugzeuglärm und große Fähren, die  – wenn du nicht gelegentlich mal nach hinten blickst – dich einfach überfahren, mit Volldampf und einer Portion Zerstörungswelle. Das ist eine Begrüßung.
Aber: So wie überall und immer im Leben muss man auch in Alicante nach den schönen Plätzen suchen. Es gibt sie. Am Besten entdeckt man sie „amerikanisch“, mit eigenem fahrbaren Untersatz, oder aber auch zu Fuß.

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Die Wasserfälle im Hinterland von Benidorm z. B. waren ein Inbegriff eines paradiesischen Platzes – inklusive reinstem Bergwasser, nicht einmal Fische gehen da aufs Klo. Schon nach ein paar Metern in den Fels eingedrungen, tut sich ein enger Kamin auf, in dem aus zehn Metern Höhe das Wasser herabrauscht. Der Eingang in die Höhle ist geheimnisvoll schmal, die Wände durch das abfallende Wasser dick vermoost. Das Sonnenlicht dringt bis zur Wasseroberfläche durch und beleuchtet diese kleine Höhle von oben wie mit einem Scheinwerfer. Anfangs waren wir alleine, die einzigen Touristen saßen bei Bier und Tapas weiter oben in der Cafeteria … was Mamabert dazu verführte, sich gleich an Ort und Stelle umzuziehen und hineinzuschwimmen. Bei 15 Grad Wassertemperatur entstand ein ziemlich „kurzes“ Gefühl – Pielach-Dejavu im September.
Einmal im Kamin, ist man abgeschottet von der Außenwelt. Man kann hier den Ort genießen, sich auf die glatten Steine setzen und allein sein (habens probiert), auch wenn weiter draußen 40 spanische Senioren stehen, lauthals kommentieren und sich mit Fotoapparaten an den Höhleneingang anpirschen.

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Einmal sind wir barfuß auf der rosaroten Salzkruste am Strand der Salinas bei Torrevieja entlanggelaufen, verwundert, wie abgespaced ein sanftes Tal mit ca. 2 Mio. tatsächlich identen Ferienhäusern und einer rosaroten Lagune als Ortszentrum aussieht. Und Wolkenkratzer haben wir gesehen. Viele, viele, direkt in die Wüste gebaut. Anscheinend hat nur New York mehr Wolkenkratzer als die Stadt Benidorm. Naja, viele waren es schon….aber so viele?? Sicherlich hat diese skurrile Skyline dazu beigetragen, dass sich der Autor unseres Reiseführers zu der Aussage hinreißen ließ: „Die Welt würde keinen großen Schaden nehmen, wenn sich der Küstenstreifen beim Mar Menor vom Land lösen würde und im Meer versänke“. Nicht grad nett – aber wir verstehn`s.

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Auch ein Bergbauerndorf haben wir besucht. Ein halb abgesprengtes Kastello thront über dem Ort, dazwischen gibt es geheime Durchgänge und ca. 200 Geschäfte, dazu nochmal 100 Wirtshäuser und 50 Hotels und unzählige Museen, die fast alle das gleiche zeigen – Flohzirkus und die Bibel im Stecknadelkopfformat. Das kleine „verträumte“ Bergbauerndorf wirkt nach Ladenschluss eher wie ausgestorben (ist es auch definitiv).

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Unter dem Ort befindet sich ein Wasserreservoire. Im scharfem Azurblau liegt es wie eine Blume im hohen Tal zwischen den unerwartet grünen Hängen – ein krasser Gegensatz zum restlichen Steingebirge. Daneben liegen Finkas mit angelegten Terrassenfeldern, auf denen tatsächlich noch was angebaut wird.

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Auch Alicante wird bewacht von einem Kastello hoch oberhalb der Stadt. Kindbert ist frühmorgens in Begleitung unserer Gäste raufgewandert. Sehr tüchtig – für die gemütlicheren Urlauber gibts aber auch einen Lift mitten im Berg (so habens auch wir geschafft). Das Kastello wurde im frühen 18. Jahrhundert von den Briten erobert und von den einheimischen Spaniern bald darauf gesprengt; von unten, durch einen Tunnel.
Heute werden die Feinde subtiler abgewehrt. Mit Fett, Friteuse, Fett, nochmals Fett und ein paar Würsten; auch Hanswürsten in den Gassen, die ständig Gaukeln, mit leidlich wenig bis super kreativem Betteln: „I have made 5000km on my bike, now I´m hungry“. Oder Dauerbeschallung beim Essen, oder Spaziergang. Es geht aber auch anders: Am Hafen sitzt still und demütig ein wohlerzogener alter Chinese und spielt sein Saiteninstrument – er lädt Kindbert ein, mitzumachen – Musikstunde a`la internacional: Do – Re – Mi –Fa – So…. klingt eigen. Kindbert gefällts und er macht lange mit. Die gesamte restliche Woche verbeugt er sich, wenn wir vorbeigehen. Wir winken zurück. Aber nicht alle ImperatorInnen können subtil abgewehrt werden: Vielen Engländern schmeckt, was serviert wird, die Restaurants sind brechend voll. Die stellen ja auch den Großteil der finanziell mehr oder weniger betuchten Urlauberschaft dar. Leer ist es hingegen beim Inder – dafür aber ausgezeichnet lecker, sicher das beste Essen, welches wir im städtischen Dschungel erlegt haben.

Zur selben Zeit – gleich um die Ecke konnte man plötzlich nicht mehr über die Straße. Ein Worldcup-Triathlon mit ebenso worldcupmäßigen Menschen brachte Polizisten und schnelle alte Frauen zur Verzweiflung. Wie TriathletInnen sich in Alicante wohl ernähren? Mit englischen Tapas? Wir haben uns dann beim Wettbewerb in Stellung gebracht (nur wohlgenährt, damit wir nicht an Hungers sterben) und sie beobachtet. Muy impressionante!!! Eine Runde im Hafenbecken schwimmen hätte Mamabert schon an Brechreiz erkranken lassen. Dass die das machen, kann nur mit Unwissenheit über die vielen SeglerInnenbräuche in weitläufigen Hafenbecken erklärt werden. Sogar die Fische haben immer wieder das Wasser verlassen und zwischen den Planken des Schwimmsteges den Freitod gewählt, weil sie es wahrscheinlich nicht mehr in dieser Brühe ausgehalten haben. Kein Wunder also, dass die AthletInnen so dünn sind…..vielleicht brauchen sie dann eh viel Fett. Der passende Song dazu sei per Youtube von Ytitty – „Ich steh auf Wings von Kentucky“ – empfohlen. Wir hoffen nach wie vor auf richtige spanische Küche, irgendwann mal.




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Kategorien: Reise Angenehm | Schlagwörter: , , , , , , , , , , , , , , | 2 Kommentare

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