Beiträge mit dem Schlagwort: Reisen mit Kindern

Die Tiger von Calpe

Nach einigen Segeltagen mit guten Etmalen legen wir in Calpe an. Der starke Wind schiebt uns rollig vor sich her, die Windfahne müht sich ab, gegen die hohen Wellen von hinten Kurs zu halten. Nach Alicante ists vorbei mit der herrlichen andalusischen Sonne, der Trockenheit, der Klarheit des Himmels, den angenehmen Abenden. Schon bald steht fest: hier kommen wir nach Europa! (eigentlich haben uns die Leute hier erzählt, es sei verdammt kalt jetzt – also das mit dem Klima wird bald wieder besser). Wir frieren nämlich beim Segeln. Und obwohl wir wissen, dass so manche/r unserer LeserInnen jetzt ein wenig schadenfroh lächeln wird – ok, wir wissen, dass Mitteleuropa grad im Eis ertrinkt, dagegen brauchen wir hier nur eine Seglerhose anzuziehen! Während der Nächte in den Häfen straucheln 2 elektrische Radiatoren und halten unsere Gehirne eisfrei.

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Nun liegen wir ziemlich unruhig im Hafen von Calp oder Calpe, je nachdem welche Schreibweise man wählt. Und obwohl wir „nur“ im Mittelmeer geblieben sind und dort auch wiederum „nur“ an der Küste entlang segeln, gibts dennoch viel zu berichten.
Nach einem zweifachen Rittberger bei Starkwind beim Anlegen in der Marina, müssen alle ganz dringend Pipi, denn kurz zuvor ist die Pumpe unseres Schiffklos kaputt gegangen. Dies erforderte gewitzte wie auch risikoreiche gegenderte Lösungen, damit die SeglerInnenblasen nicht platzen. Und was dann noch geschah: nachdem wir uns zum Essen in den dank Landstrom endlich warm werdenden Schiffsbauch zurückgezogen hatten, sahen wir achtern nur mehr eine riesige weiße Genua, ganz nahe bei unserem Heck. Papabert springt hoch. Gerade eben noch beim Laptop gesessen setzte er an zu einem rekordverdächtigen Decksweitsprung, um die eifrigen Jollensegler, die allesamt ziemlich erfahren oder zumindest erfahrener aussahen als wir, anzuschreien. Ohne Skrupel ob ihrer tollen Seglerkleidung, ihren hohen Ehrfurcht-einflößenden Haaransätzen und ihrer großen Anzahl. Mamabert und Kindbert hinter ihm her – weniger aufgebracht, weniger hübsch – Mamabert in ihren Hüttensocken mit Herz und Jogginghose, Kindbert in alter Jogginghose und unfrisiert, aber nicht minder ambitioniert, die Situation zu retten als irgendeiner der Großen. Was war da abgegangen? Als die britischen Wassersportler ihre Jolle mit einer Wende im engen Hafenbecken ins offene Meer rausmanövrieren wollten, krachten sie voller Freude gegen unser schönes Heck und rammten mit dem Großbaum fast noch den Außenborder von unserer Reling.

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Vollen frohen Muts waren sie ohne Motor und auch ohne Leinen oder Fender nur bis zur nächsten Ecke gekommen, wo unser Boot im Weg stand weil der Wind die Segel mächtig füllte.  „Where are your fenders? Where are your lines?“, brüllte Papabert. „Sorry, sorry, we are so sorry, so dumb“, gab die Crew kleinlaut von sich. „What means sorry?“, konterte Papabert. Bei Sturm mit der Genua  und dem Groß gegen den Wind zu gehen ist vielleicht doch nicht so eine gute Idee, ob nun ordentlich angezogen oder nicht. Ziemlich gedämpft fuhr die Crew samt Segelguru wieder an ihren Platz zurück – ja, so schnell kann ein Männertag sein Ende finden. Ok, gut – Schwammdrüber-Blues, unser Tag will auch gerettet werden, das Hin- und Hergeruckel raubt Papabert den Nerv. So wendet er sich konstruktiven Dingen zu und erfährt bei seinen Recherchen, dass das Plastikteil für das Klo läppische 100 Euro (!!) kostet, ein Klacks, oder?  Wir können es nach Valencia in einem Geschäft abholen und müssen dafür noch nicht mal einen Umweg fahren. Der Kratzer an der Bordwand wird durch zwei Bier von John, dem altgedienten Jollensegler wett gemacht. Was hilft gegen Stress im Hafen: Weg da!!! Sollen doch alle anfahren wenn wir nicht dabei Herzstechen kriegen. Abhlife schafft eine Wanderung.

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Kindbert freut sich ohnehin schon auf eine kleine Tour und uns allen tut ein Spaziergang durch die Natur gut. Na das trifft sich ja bestens, dass Calpe direkt an einem ca. 400 Meter hohen Felsen, dem „Peñon de Ifach“ liegt, der ähnlich wie „the Rock“ bei Gibraltar aussieht, mindestens genau so steil ist und von mindestens ebenso vielen Tieren in einem Naturpark wohlversorgt bevölkert wird. Allerdings sinds hier keine Affen, sondern Möwen und Katzen.

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Am höchsten Punkt des Felsens tummeln sich die kleinen Tiger, um Möwenküken oder wenigstens ihre Eier zu stehlen. Sie scheinen sich wohl zu fühlen bei Wind und Wetter, 400 Meter über dem Meer. Das Fotografieren sind sie wohl gewöhnt, streicheln ließ sich jedoch nur eine. Der Weg auf den Felsen ist durch ein kleines aber wichtiges Schild markiert: Caution! Extreme dangerous track! Don`t walk with Children! Das Flip-Flop-Zeichen war dazu auch noch durchgestrichen. Ok, wir würden das verstanden haben, wenn wir es gelesen hätten, haben wir aber nicht. Zum Glück sind so viele Engländer da. Aber es war ohnehin egal, schon der Anblick nach oben muss einem Menschen (wenigstens einem aus den Alpen) sagen, das wird lustig! Rauf gehts einer „maurischen Mauer“ entlang (hatten die auch schon Kletterseile?)

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Ein Durchgang durch den Fels verkürzt den mittleren Aufstieg, gleicht aber einer Rutschbahn-Tube und kann nur mittels der Halteseile am Rand bewerkstelligt werden – der 100 Meter lange Tunnel wurde irgendwann mal durch den Fels gehauen und erinnert Kindbert und Mamabert gleich an Herr der Ringe. Dann gehts über glatte und eingerissene Steine auf einem schmalen Steig an den hohen Klippen entlang nach oben, zum Anlehnen, mit Steigseilen ausgerüstet. Komisch, von unten sah der Felsen doch so klein aus? Kindert und Papabert gehen alleine weiter, der Weg sehr schwierig –  glatt –  steil – weit. Mamabert geht lieber zum Supermarkt  – es gab ja letztlich gute Gründe, warum sie den Alpen den Rücken kehren wollte und lässt die beiden Entdecker alleine aufsteigen, so nach dem Motto Ehefrau und Ehemann. Oben dann ein Ausblick, der einem die kleine Welt auf so einer Yacht vergessen lässt. Wie dicht der Landstrich doch besiedelt ist! Das meiste wird nur im Sommer bewohnt – rund 200.000 Menschen wollen dann gemeinsam hier braun und entspannt werden. Ob das möglich ist? Ein Panorama auf die Gelsenlacke (früher mal eine Saline) hinter hohen Hoteltürmen, dahinter irgendwo Ibiza im Osten, die imposanten „Zähne“ von Benidorm im Westen– die Stadt mit den meisten Wolkenkratzern pro Mensch – hässlich und unbelebt sieht das aus. Voller Eindrücke und wieder  innerlich eingenordet wird das Zusammensein am Boot erneut genossen. So ein Hafentag hats einfach in sich!

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Ein Hoch auf die Pityusen!

Wer oder was sind denn die Pityusen? Eine neue Biermarke? Pechstränen am laufenden Band? Sandalen mit neuem Aufdruck oder vielleicht verbrauchte Mosiko-Räucherstäbchen? Sessel aus Meerschaum? Aufgedunsene Bleichgesichter, verbraucht wie alte Maulesel? Nein, alles nicht: die Pityusen sind Inselchen der Balearen mit wohlklingendem Namen. PITYUSEN – kommt vom griechischem Begriff Nissoi pityussai. Die Griechen nannten die Inseln so wegen ihrer damals reichen Pinienwälder. Von denen ist aber jetzt nichts mehr zu sehen. Schön sind die Inseln jedenfalls trotzdem und wir waren dort – lagen quasi auf dem Weg von Ibiza nach Alicante am spanischen Kontinent. Nun gut, jetzt ist es raus. Pityusen sind etwas absolut normales, etwas, wohin jedermann/frau leicht kommen könnte, etwas wo der Otto-Normaltourismus Einzug gehalten hat, lange schon, gleich nach den kiffenden Hippies. Und es stimmt, man kann leicht dorthin gelangen (auch ohne Silikonimplantat). Man braucht nur mit dem Schiff von Mallorca nach Alicante zu segeln, dann fährt man einfach durch sie hindurch.

Auf einem Segelschiff lässt es sich hier hoch leben. Bei Espalmador wir liegen wir an einer (gratis!) Mooringboje. Die Bucht ist umschlossen von drei Seiten, das Wasser so platt wie am Erlaufsee, ein Haucherl von Wind weht angenehm frisch – dazu noch amüsante Unterhaltung vom Kommen und Gehen der Yachten – lustig anzusehen, wie Charterboote sich um die Bojen tummeln. Manche köpfeln von den Booten, gleich nachdem sie eine Leine durch die Mooringboje gezogen haben. Bei anderen Boatpeople beginnt das Boot wild zu schaukeln, nachdem sie angelegt haben. Manche sehen so aus, als seien sie schon Jahre hier – verschollen in den Pityusen, abgeschieden, nahe an den Ballermann-Metropolen des Mittelmeeres.

Seit einer Stunde sitzen wir im Cockpit und haben grade unsere Petroleumlampe angezündet. Seit einigen Tagen schon ist ihr Glasgehäuse derart verrußt, dass sie kaum noch Licht abgibt. Das macht aber nichts – der Vollmond blendet fast, in dem Licht könnte man ein Buch lesen.
Auf der einen Seite ist die Bucht von einem Postkartenstrand abgegrenzt (fischen verboten, deswegen wieder äußerst zutrauliche Fische und Möwen), auf den anderen zwei Seiten verlaufen Rifffelsen bis knapp über die Wasseroberfläche, nur ein kleiner Spalt ist Richtung See hin offen. Nachts möchte man hier nicht anlegen. Weiter vorne, wo die Insel sich um die Ecke biegt, laufen die Seen aufeinander auf, verkrallen sich die Wellenkämme ineinander, schlagen sich gegenseitig tot oder begraben eine unter der anderen mit einem „schlupp“ – ist nett anzusehen. Die Möwen kümmert es nicht – sie leben von Mahlzeit zu Mahlzeit. Gerade laufen sie eifrig an der Gischt entlang, noch nicht jede hat was im Schnabel. Aber alle sind aufgeregt. Kein Wunder – fast zwanzig Zentimeter hoch springen die Fische hier immer wieder aus dem Wasser. Am Strand laufen nackte Menschen auf und ab. Manche lassen sich sonnen, andere schrauben an ihren Dinghis herum oder feiern sich selbst mit erhobenen Händen und Affengeschrei (Ibiza ist ja nicht weit weg). Es gibt auch rosa Sand!! Da kann man sich ablenken und die Augen entspannen.

Gerade fährt ein kleines Motorboot vorbei und gesellt sich mit einem „Ooollllaaaa“ an ein anders kleines Motorboot – Festtagesstimmung in kleinster Atmosphäre. Außerhalb der Bucht, dort wo die Insel eine weitere großräumige Einbuchtung hat, liegen Schiffe, halb Privatyacht, halb Kreuzfahrtschiff. Einige sind dermaßen beleuchtet, dass es aussieht, als bräuchten die schon allein dafür ein Atomkraftwerk.
Enorm ist der Schiffsverkehr zwischen Formentera und Ibiza. Fähren, Kriegsmarineschiffe, 5-Master, kleinere Aquatour-Bummelschiffe, normale Motorboote, Segelboote, uralte Segelschiffe im Stil von Piratenschiffen wechseln sich ab und durchqueren abwechselnd oder alle zugleich die engen Durchfahren durch die Untiefen. Oben drein fliegt im Zwei-Minuten-Takt ein Passagierflugzeug in Richtung Urlaubsspaß oder Arbeitswelt. Man glaubt, in einer Metropole wie Paris oder Berlin angekommen zu sein. Dabei sieht man hier kaum ein Haus. Nur mehr Leuchttürme und die Leuchtturmwärterhäuser……

Links von uns will grad ein Motorboot die Boje aufnehmen. Sieht in der Nacht viel spannender aus, als am Tag. Als der Fahrer dann zehn Minuten später auf seinem Steuerstand den Motor abstellt, fallen mehr leere Bierflaschen zu Boden als Zylinder in diesem Motor sind. Vielleicht hat er nur vergessen, das Altglas zu entsorgen. Hu noos?

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Nobel in Andratx

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