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Madeira – Insel der seligen Poncha-Trinker

Irgendwie sind es immer die Inseln, die uns in ihren Bann ziehen, sie strahlen etwas Magisches aus. So wie Madeira, Insel der Blumen und Berge. Der Atlantik ist überwältigend. Eine Wahnsinns-Vorstellung, da im Sommer hinauszusegeln und drüben – quasi drüben unten anzukommen – in North- oder Southcarolina, oder in Grenada. Vielleicht wird’s ja noch was mit der Atlantik-Überquerung.

Madeira hat und überrascht. In vielerlei Hinsicht. Zunächst einmal die Berge. Die sind steiler, und hartnäckiger als wir dachten. Da geht’s hinauf, hinauf, hinauf, ewig, bis zum Himmel, haben wir unserer kleinen Zwergiberta gesagt, bis zu den Wolken, und noch darüber hinaus. Zum Glück gibts die Levadas. Das sind hunderte gemauerte Bewässerungskanäle, ungefähr einen halben Meter breit, sie ziehen sich wie Spinnennetze rund um die Insel – sie bleiben auf einem Niveau, damit das Wasser darin stehen bleibt – man wandert quasi wie auf einer Ebene rund um die schroffen Berghänge – super fürs Wandern mit kleinen Kindern! In den Levadas wartet das Wasser auf den Sommer, bis es dann, kontrolliert abgelassen, die Bananen- und Maracujafelder mit Leben versorgt. Aufgefangen wird es an den steil abfallenden schroffen Lavafelsen im Inselinneren, wo Regen- und Tauwasser in Strömen talwärts rinnt – zumindest im Winter steht die Insel im Saft wie eine frische Kaktuspflanze. Man kann sich einfach nicht vorstellen, dass es hier jemals trocken wird – und doch müssen vor Jahren hier gewaltige Waldbrände getobt haben, denn eine Menge Bäume sind abgestorben oder unten schwarz angekokelt. Teilweise sind ganze Wälder tot – den Grund konnte uns niemand erklären, auch nicht ein „Ranger“, der die Wälder beaufsichtigt.

Oben in den Bergen, wo das Moos und die Flechten die Wälder überziehen wie ein Zuckerguss kommt man sich vor wie in einer Geisterwelt. Dichte Nebelschwaden ziehen mit dem Wind, lassen manchmal einen Blick auf den Atlantik zu, oder verhüllen einen selbst, inklusive Kamera. Wie muss das alles ausgesehen haben, als noch dicke Mammutbäume die Insel bevölkerten, oder Mahagoni, oder Drachenbäume und Steineichen? Das Hochplateau ist tatsächlich kahl, alles abgeholzt, nicht ein einziger Baum steht noch da oben. Der vorzeitliche Schiffbau hat alles vernichtet.

Manche Madeiraner sehen aus, als hätten sie irgendwann mal den Wunsch verspürt, hier wegzuziehen, das beschwerliche Leben aufzugeben, alles hinzuschmeißen, die Bananen, die gute Luft, Freunde, Familie, den Wein, den Fußball. Manche sehen aus, als hätte ihnen der Alkohol diese Wünsche aus den Gehirnen gewaschen. Manche sehen aus, als hätten sie noch nie an einen solchen Wunsch gedacht, und manche sehen aus, als würden sie sich niemals trauen, ihre Wünsche zu träumen, weil sie brav in die Kirche gehen. Vielerorts sieht man auch Resignation, oder Armut, oder Beides zugleich. Manche Dörfer in den Bergen laden nicht gerade zum Bleiben ein. Es sind die Dörfer, von denen es keine Fotos gibt, weil sie fast das ganze Jahr über im Nebel liegen. Dort oben zu wohnen möchte man sich nicht vorstellen. Feuchte Mauern, feuchtes Holz, feuchte Kleidung, innen, außen, überall. Nebel wohin man schaut. Da kommt es schon mal vor, dass tote Katzen auf der Straße liegen, oder offene Müllhalden die Ortzentren schmücken. Kinder ohne Schuhe, die auf den nassen kalten Straßen herumlaufen und nicht einmal Fußballspielen können, weil es vorne und hinten nur steil nach unten oder oben geht. Winzige Bauernhöfe haben wir gesehen, ein Leben wie vor hunderten von Jahren, ohne Strom, Kanalanschluss und Auto, mit kleinen Hühnerställen und einem scharfen Hofhund. All das haben wir gesehen. Die Armut ist eben ein Stiller Begleiter der Welt. Trotzdem scheinen die Menschen dort in den Bergen das Nötigste zu haben, ihre Freundlichkeit haben sie jedenfalls nicht verloren. Milch, Eier, Hühner, Fisch, Bananen und einen guten Poncha, das ist alles, was man braucht.

Schön sehen die Terrassenfelder aus. Mit Steinmauern, hunderten, tausenden, Millionen Steinmauern wird ein bisschen Land der steilen Klippe abgejuckst, für ein paar Kilo Bananen, Papayas oder Guaven, die allesamt kaum gewinnbringend verkauft werden können. Die Konkurrenz aus Übersee, Firmen wie Dole sind wahre Riesenhaie, die den Markt mit Billigen Bananen überschwemmen und die kleinen Fressen. Da kommen die madeirischen Bananenbauern eben nicht mit, mit zu wenig Wasser, zu wenig Anbaufläche und vor allem nicht, wenn man sich zu seinem Feld von oben einige Hundert Meter abseilen muss. Dafür schmecken die Bananen wunderbar würzig, vielleicht sind sie sogar besser zum Kochen als zum Roh essen geeignet.

Die höheren Lagen kommen im Winter kaum von Nebel raus. Fast nie lichtet sich dort der Himmel, nur an schönen Tagen und die sind selten. Das machte auch Karl I. zu schaffen, der in nur vier Monaten Aufenthalt in den Bergen (Monte) über Funchal an einer Lungenentzündung verendete. Das war 1922. Vielleicht wollte er auch nicht mehr. Die Villa da oben ist jedenfalls ein fantastischer Bau, man könnte glauben, jemand würde sich doch ein Herz nehmen, potent und willens genug sein, um dieses unglaublich schöne Bauwerk zu erhalten. Aber weit gefehlt!! Die Villa verfällt, verrottet, wird von Moder und Schimmel zerfressen, ist innen total zerstört. Nur noch ein paar Wände und Decken sind zu erkennen, die mit Verzierungen von der ehemaligen Schönheit zeugen.

Der Osten der Insel zerfällt in einzelne Abschnitte, die langsam vom Meer wieder zurückerobert werden. Hier sieht man sehr schön, wie der Vulkan die einzelnen Schichten zusammenzimmerte, mit senkrechten Kanälen, die vom heißen Magma durchstoßen wurden. Ein einziges schönes Haus ist im äußersten Osten zu finden, ein Haus, das zum Schreiben in der Einsamkeit einlud. Vor allem Papabert war angetan von dieser Art der Abgeschiedenheit.

An der Südküste ist das Klima mild, vor allem in Ribeira Brava kam nicht so starker Wind durch die enge Schlucht. Es war einer der schönsten Orte der ganzen Insel, wie wir fanden, klein und fein. Sogar genügend Spielfläche zum Fußballspielen. Wir fühlten uns wieder zurückversetzt nach Spanien, nach Almeria, Valencia, Cartagena oder Barcelona. Die Leute im Cafe schauten Fußball und wir mit ihnen, bald verehrten auch wir Cri“sch“tiano Ronaldo, so wie sie – wenn man mal dort ist, versteht man das Gehabe Cri“sch“tianos vielleicht besser. Cri“sch“tiano thront nicht weit von seinem Elternhaus am Pier am Westlichen Ende des Hafens als Bronzestatue mit eine großen Beule in der Hose. Wie Papabert fand, eine etwas zu große Beule. Das sah alles andere als natürlich aus – oder die Madeirer haben so große Beulen. Nur wenige Tage nach unserer Abreise hat jemand die Statue geschändet, indem er „Messi“ auf Cri“sch“tianos Kopf schrieb.

An der Nordküste lud uns Porto Moniz fast zum Baden ein, wenn wir nur unsere Badesachen mitgehabt hätten!!! Die natürlichen Fels-Becken mit sauberstem Atlantikwasser gefüllt sehen herrlich aus, sind auch im Winter warm. Weiter westlich wurde in den Becken, die aussahen wie ein Freibad gefischt – mit der Angel – früher wurden in diese Becken Fische hineingetrieben, dann mit einem speziellen Sud auf Drogen gesetzt und schließlich per Hand nach Hause getragen. Vielleicht machen es manche immer noch so.

Madeira ist einen Urlaub wert! Auch der Madeira-Wein, auch der Poncha! Wird im Achtel-Glas ausgeschenkt – und das Gute: Man braucht nur einen einzigen, um nicht mehr nach Hause zu finden! Auch der Espada und das Brot, die Suppen und Rindersteaks waren erstklassig. Vielleicht segeln wir mal hin. Oder darüber hinaus! Nach Westen, in die Karibik. Oder nach Southcarolina!

 

 

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Salzverkrustet – Der Reisebericht der Jahres!

Endlich im Handel erhältlich!! Unser Reisebericht in Buchform, gebunden, mit 61 Fotos, sieht schön aus – und liest sich fein. Und wenn man es selbst nicht lesen will, hat man ja immer noch Onkeln und Tanten, Nichten und Neffen, die bald beschenkt werden wollen!! Das ist DER Reisebericht des Jahres. Das ist sicher!! Wir freuen uns auch über eine Bewertung!!

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Marokko und Melilla: Von Mandarinen, Moscheen, Muezzin-Apps und der großen Freiheit

Faulheit? Ja, wir warn faul, faul, fauler, am faulsten, jawohl! Keinen Blogeintrag seit 3 Wochen! und das trauen wir uns noch zu sagen!! Öffentlich in einem Blog im Worldwideweb! Die Faulheit ist ja ein Hund; je weniger man tut, desto weniger tut man, jeder kennt das – vielleicht. Wir waren in Marokko für zwei Wochen – mussten uns im Urlaub vom Urlaub erholen, ha. Das Warten auf das Vorbeisein des Winters ist nämlich auch anstrengend! Tägliche Wetterbeobachtungen vom Balkon der Tapas-Bars aus, technische Wartungsarbeiten unserer Ilva fast täglich – theoretisch – mit der allbekannten Müsste-Könnte-Einstellung. Ja, ja, das schwächt. Deswegen auch unser Kurztripp, der letztlich sehr erholsam war. So gingen wir wild entschlossen ans andere Ende des Hafens und bestiegen die Fähre nach Marokko – schneller, sicherer, und – billiger (ja der Diesel ist teuer). Fes, Rabat, Melilla und noch mehr von Marokko (oder einem kleinen bisschen Spanien) wollten wir sehen. Ein bisserl treiben lassen und Tajines mit Maroc Whisky verspeisen.

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Mit einem Reiseführer auf spanisch und dem Bus gings von Nador nach Fes, die alte Hauptstadt des Wissens. Von Einheimischen bekamen wir immer wieder erzählt, dass die Mafia in Marokko sehr aktiv im Menschenhandel beteiligt ist. Daher gibts ganz viele (und mitunter pittoresk anmutende) Kontrollen in den Öffis im gesamten nördlichen Marokko von bös dreinschauenden Polizisten. Anscheinend wollen die Behörden auf keinen Fall Europa verärgern und bemühen sich um Sicherheit – und das heißt: so viele mutmaßliche Flüchtlinge aufgreifen wie geht. So hält der Bus ca. alle 30 Minuten und wird von Polizisten von oben bis unten durchsucht. Vielleicht ist ja während der Fahrt jemand zugestiegen? Sylvester Stallone lässt grüßen.

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Nach der 7-stündigen Busfahrt zwischen betenden Männern mit langem Bart und Camouflage-Hose und um Decken feilschende Omas, waren wir so erlegigt, dass ein Hotel her musste. Bepackt wie Trägerameisen schleppen wir uns nächtens von einem Hotel zum anderen. „Un Chambre? No! We are full! Try the one in the next street, they have something for you!“. In der Not frisst der Teufel ja Fliegen, und wir – Hotelzimmer. Im Bett des Zimmers waren zwar noch Haare und weiße und schwarze Brösel inkl. sonstiger weiß-gelblicher Flecken; aber egal, es war warm mit Decke überm Kopf – für eine Nacht ok.

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Warm hatten es sicherlich auch die Huskys, die Marokkaner anscheindend gerne haben und sie am Strand ohne Leine und Beißkorb freilassen – wie sich die Tierchen im Sommer tun, wäre mal interessant, bei über 40 Grad. Mit dickem Fell und hellbraunen Augen graben sie im Strand nach allem, was eben früher oder später mal weggeworfen wurde. Und das ist viel. Ganze Friedhöfe in Rabat und Fes sind mit Müll bedeckt, ganze – ehemals intendierte Stiegenhäuser, Rampen in den Markt so wie in Fes oder einfach innerhalb leerstehender Grundstücke, liegt Müll in Mengen, die jeden Menschen der MA 48 den Angstschweiß hertreiben müssten. Vielleicht liegt es daran, dass in Rabat anscheindend die Dichte von Bankomaten höher ist, als die von Mistkübeln. Auch in Fes musst du echt suchen, um dein Saftpackerl in einen dafür vorgesehenen Mistkübel schmeißen zu können. Dass da allerhand auf den Boden fällt ist klar – unklar bleibt, wieso den Menschen dort der Müll egal ist.

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Zwar fuhren wir mit der modernsten Straßenbahn, in die wir je gestiegen sind, nagelneu mit neuer Brücke über das neu angelegte Marina-Hafengelände inkl. einer neuen Wohnhausanlage im Stile: Schnell- und net ganz Fertigbau – das war sicher nicht ganz billig. Aber einen Stau wegen der Müllabfuhr haben wir nicht gesehen.

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 Überhaupt ist manches in Marokko wirklich etwas „strange“ für eine Familie aus Mitteleuropa mit konservativen Wurzeln. Politisch ist hier ziemlich etwas im Gange, das spürt man viel stärker als in Europa, wenn man durch die Straßen geht, oder wenn man vom Hotelmanager zu einem Tee eingeladen wird.
Mister X, ein junger, linguini-dürrer Intellektueller, der uns echt aufrichtig betreute, erzählte uns stolz vom vorigen König, Mohammed den Fünften. Denn der jetzige König, Mohammed der Sechste, der Sohn, sei ihm viel zu liberal. Mit dem gehe das Land langsam den Bach runter. Soviel Freiheit sei nicht gut für Marokko. Mohammed der Fünfte sei viel besser gewesen – ungefähr so wie Hitler [PAUSE]. Das war der Zeitpunkt, wo Mamabert sich an ihrem Marzipankipferl verschluckte. Unser Gegenüber hat aber anscheinend bemerkt, dass seine Meldung nun nicht ganz so gut bei uns ankahm und schwenkte vom Thema ab. Schade – wir hätten gerne noch mehr erfahren von den Praktiken des Mohmammed, den Fünften. Dass Mamabert auch immer husten muss!! Zu aller Unfreude haben wir dann ein paar Tage später auf einem Straßen-, Zeitungs- und Buchstand ein „Mein Kampf“ offen ausgebreitet und auf Arabisch übersetzt entdeckt. Kranke Ideologien sind hier anscheindend im Umlauf und mit Stolz redet man darüber – sogar mit den Touristen vom Ach-so-lieben Österreich.

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So auch ein ca. 30-jähriger Typ aus einer reichen Berber-Familie (sein Vater war marokkanischer Militärgeneral). Er begrüßte uns freundlich: „Oh, you are from Austria? I like Austria, because the people there all are racists!“ Bei der Zugfahrt von Rabat nach Melilla hatten wir für zehn Stunden das Vergnügen, neben ihm zu sitzen und über dieses und jenes zu plaudern.

BildDie „Männer der Wüste“ fackeln halt nicht rum mit so kleinen Unterschieden. Sie trennen klar auf, nehmen was da ist und die, die da sind, auch gleich mit. So wie der Mann, der uns vom Hotelmanager vorgestellt wurde. Nachdem wir mal ganz lose angefragt hatten, wieviel ein Wüstentrip (Wunsch von Kindbert) kosten würde, wurde gleich einiges für uns organisiert. Weil wir aber für 3 Tage Wüstenei nicht 1400 Dirham ausgeben wollten, kam die Gute Fee auf den Gedanken, uns mit einem Bekannten mitzuschicken, der auch gleich ein Hotel am Ende der Welt betreibt. Geholt vom Hotelzimmer wurden wir mit einem freundlichen: „Hello, you can come down, there is a nice possibility to get to a des(s)ert“. Papabert freute sich über eine gute marokkanische Nachspeise und nahm Mamabert mit. War dann aber doch ein Verkaufsgespräch. Wüstentrip? Kostet nur 400 Dirham. Ocassion, Hotel nur 200, alles inklusive! Acht Stunden Autofahrt über den niederen Atlas bei Schnee? Wir haben dankend abgelehnt. Wer weiß, wieviele Verwandte er noch hat, die auch im Geschäft tätig sind, wenn wir erst einmal dort sind – ohne Möglichkeit zum Entkommen.

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 Die Marktwirtschaft kennt hier keine Grenzen. Jedes im Alltag bestehende Bedürfnis wird von geschäftstüchtigen Mitmenschen erfasst und sofort in einen Beruf verwandelt. Niemand, so scheint es, steht irgendwo zum Selbstzweck oder aus purem Interesse, sondern weil er auf jemand oder irgendetwas wartet, wo er sofort seine Dienste anbietet. Dies kann eine Führung durch die Medina genauso betreffen, wie das Halten von Leinen im Hafen der Fischer, eine Fahrt zur Grenze im privaten Auto, das Ausfüllen von Visaanträgen bei der Grenze, die Bewachung geparkter Autos, Organisation eines Straßenfußballspiels, etc. Nicht immer ist von Anfang an klar, dass es sich bei der vorigen Handlung (meist ungefragt getätigt) um eine Dienstleistung handelt, was zu Verwirrungen führen kann. Vor allem wenn Schulkinder hinter Touristen hergehen, um diese kurz vor dem Hotel oder dem Bahnhof zu überholen, mit der Behauptung, sie hätten eine Führung unternommen und wollten dafür nun Bakschisch.

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 Märkte gibts aber auch überall; alles wird zum Markt erkoren, egal um welche Ware es sich handelt. Die Mandarinen mochten wir am liebsten. Die gibts an jeder Ecke oder auch Wand (im Winter). Manchmal einfach mitten da auf einem fahrendem Wagerl, Moped, Esel oder noch am Baum. Wenn die Sonne scheint, ist die Medina mit ihren Märkten eine funkelnde Glitzerwelt, die mit Gerüchen und Bildern stark beeindruckt und uns unglaublich müde macht.

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Und – nichtsdestotrotz gibt es in Rabat auch Menschen, die ihr Leben, ihre Stadt, ihre Arbeit oder die Gesellschaft ernst nehmen. Wir sahen in den paar Tagen, in denen wir dort waren gleich mehrere Demonstrationen – wir fragten weswegen. Die schlechten Arbeitsaussichten, die miese Lage der Arbeitslosen und die schlechte Bezahlung gehe den Menschen schon an die Nieren. Das merkt man am Aggressionspotenzial, das im Vergleich zu Österreich hier schon sehr hoch ist. Da werden die Polizisten von manchen „Mutigen“ schon richtig herausgefordert und die Polizisten mutieren zu Jägern und jagen mit dem Schlagstock in der Hand die Flinkbebeinten, die sich rasch durch die Parkanlagen schlagen um sich nach der nächsten Ecke wieder zu einer laut skandierenden Masse zusammenzuschließen. Sie freuen sich über Aufmerksamkeit – vor allem wenn Touristen Kamaras dabei haben. Die Polizei weniger. Mamabert kriegt ob Papaberts Paparazzi-Mut die Krise. Wo ist da ein Klo zum Verstecken?

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 Uriniert wird in Rabat und Fes übrigens öffentlich und überall. Männer stehen in Häuserecken, an Mauern, an irgendwelchen baulichen Gegebenheiten und lassen es laufen, ob wir vorbeigehen oder nicht – stört niemanden. Es sieht manchmal aus, als seien alte Stadtmauern an einigen Stellen vom Boden bis auf einen Meter Höhe feucht, quasi mit Urin vollgesogen. Der Geruch kann sich sehen lassen – aber natürlich: wo kann man schon ein Klo finden? In der Medina – und die ist weit weg, da gibts ein öffentliches Klo, irgendwo abgelegen hinter 2 Lagerräumen und nach der Küche des Hendlstandls – rechts. Das war auch uns (fast) zu weit. Aber saubere Klos kann man finden, z.B: bei Mac Doffknalds.
Den gibts in jeder Stadt und alles (bis auf die Soßen) schmeckt wie daheim. Wer dorthin gehen kann, vor allem am Wochenende, oder zu Geburtstagsfeiern für die Kinder, hat es geschafft. Aus allen Augen leuchtet ein Funke von Stolz über den hohen Standard und den eigenen sozialen Aufstieg. Nirgendwo sonst haben wir eine so hohe Dichte an bildungsbürgerlich aussehenden, Iphone-bewaffneten, businessmäßig-schieke gekleideten Menschenansammlungen gesehen wie dort; hat auch die saubersten Tische, perfekt gereinigte Klos und Kinderspiel-Arenen, die sich sehen lassen können; und überaus westliche Preise. Die Berts waren die einzigen Touristen dort und wurden dennoch weder beschaut, noch von Händlern überfallen. MacDoofknallts – wo das Handeln ein Ende hat!

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 Massentransportmittel gelten ja als Boten und Denkmäler eines Zeitalters liberaler, westlicher Orientierung und stabiler, aufwärtsstrebender Wirtschaft. Es gibt Überlandbusse, moderne Züge mit Liegewagen, sogar zwei Straßenbahnlinien in der Hauptstadt. Der Bert-Test dieser Fortbewegungsmittel ergab die Erkenntnis, wer landestypisch reisen will, fährt mit dem Bus, der auch weiterhin das billigste Mittel von A nach B darstellt und überall hinkommt – aber nur, wer weiß wann und vor allem wie? In Marokko jedenfalls abenteuerlich. Berts reisten auch zwischen Einmachgläsern und Wolldecken sowie Nesquick-Großpackungen, die über, unter und neben uns auf den Sitzplätzen verstaut worden waren. Es wurde (wengistens in diesem Bus) darauf verzichtet, Tiere in toter oder lebendiger Form mitzunehmen. Der Bus fuhr erst ab, als er voll war – egal ob mit Mensch oder Material (ist natürlich auch wirtschaftlicher und zeugt vom Organisationsvermögen der Marokkaner!).

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Eine zeitsichere, luxuriösere und wenig teurere Version ist es, Zug zu fahren. Wer erste Klasse reist, hat auch einen Sitzplatz garantiert ohne Aufpreis für die Sitzplatzreservierung! (Jawohl ÖBB, da kannst du dich anhalten!) Hier lebt man auch fast frei von überraschenden Gerüchen und hat ausreichend Platz auch für längere Fahrten. Papabert fiel zwar der Kopfteil seines Sitzes auf den Kopf, doch alle anderen Gegenstände im Abteil haben die Benutzung ohne Schaden zu nehmen überstanden. Auch die schon lose Fensterdichtung hat die zehn Stunden Fahrt heil überstanden!

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 Die Friedhöfe wurden in Rabat zwischen Meer und Stadt angelegt – eine gscheite Lösung, unsererm Geschmack nach. Schaut richtig wienerisch-morbid aus und hält sicherlich auch so manchen Pauschalurlauber davon ab, sich en masse am Strand zu räkeln. Zwischen den Fluten und den Mauern liegen also die Toten und halten das Wasser fern – so haben auch die Toten noch einen Auftrag!
Manche Friedhöfe sind grob vermüllt. Die Berts versuchten, ein paar Gräber zu fotographieren, einmal geht ein Einheimischer sofort auf Angriff, das Fotographieren von Gräbern zollt keinen Respekt gegenüber den Toten. Jawohl, dafür sind wir auch. Papabert zeige ihm den Müll, der auf den Gräbern liegt und fragt, ob das gezollter Respekt ist. Er versteht die Frage nicht – wir können kein Französisch.

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Auch wenn dies nicht angenehm war, überall entsteht sofort Kommunikation. In Fes hat Kindbert schnell Freunde zum Fußballspielen gefunden. Die Kinder haben pro Tag anscheindend nur zwei Stunden Schule – da gehen sich viele Partien aus. Schnell wird Kindbert aufgenommen. Neben einem Holzschnitzer ist das Tor – dahinter gleich der Haschisch-Verkaufsstand, bei dem die Händler selbst die besten Konsumenten sind. Freundlich-breit grinsend grüßen sie uns wie alte Bekannte und spielen auch gleich mit. Ja, die Medinas sind voller „Kultur“.

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Die „Medinas“, die alten Teile von Gemeinden oder Städten sind imposant in ihrem verwinkeltem Aufbau und lassen sich nur langsam erkunden. Auch nach Tagen stellen sie noch ein unverständliches Labyrinth dar, welches man nur mit grober Orientierung (Sonne, Mond und Sterne) durchqueren kann. Oft sind sie gleichzeitig auch noch Märkte, was das Gehtempo beschleunigt, um nicht Opfer aller verkaufstüchtigen Ansässigen zu werden, wodurch die Optik für wichtige Entscheidungskreuzungen massiv einschränkt ist. Man muss viel Zeit einplanen, um halbwegs damit zurecht zu kommen. Abends fallen sie aufgrund der Tatsache, dass viele Einwohner die neueren Gebäude in den westlich orientierten Stadtvierteln als Wohnort vorziehen, in ein stilles Dunkel. Obwohl viele Berichte vor den unsicheren Zuständen in den Medinas warnen, haben sich die Berts nicht unsicher gefühlt, waren aber zur abendlichen Stunde immer schon fußmarod in ihren Betten.

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Eins hat unserem Kindbert schlimm zugestetzt: Der Male-Femal-Indikator „Haar“ hat seine geschlechtliche Identität immer wieder harten Prüfungen unterzogen. Sein langes blondes Wallehaar wies ihm im nordarfikanischen Kulturkreis eindeutig dem weiblichen Geschlecht zu, mit der Auswirkung, dass man uns auch nach mehrmaligem Kundtun nicht glaubte, dass er ein Junge ist, ihn immer mit Mädchen gleichsetzte, auch so ansprach und z.B. einmal nicht mit Fußball spielen ließ und ihn sogar immer wieder aus der Männertoilette vertrieb und zur Frauentoilette geleitete. Armer Kerl, das war hart. Zusätzlich dazu haben auch immer wieder begeisterte Erwachsenenhände auf den Märkten im Getummel den Weg in sein Haar gefunden, es kurz gestreichelt, oder dran gezupft. Konnten wir jemand davon überzeugen, dass er tatsächlich ein Junge ist, wurde er milde belächelt. Manchmal haben wir der Einfachheit halber einfach gesagt, er sein ein Mädchen.

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Kreischende oder ungläubig dreinschauende Mädels gabs oft und überall, wenn Kindbert Fußball spielte. Einmal blieb eine gesamte Mädchenklasse stehen und kicherte, kuderte, zeigte unverholenes Interesse an diesem eigenartigen Wesen, dem blonden Mädel mit dem kräftigem Schuss. Wahrscheinlich kamen die alle zu spät in ihre Stunde. „So viele BewundererInnen hab ich selten“, meinte Kindbert nicht ohne einen Anflug von Selbstzufriedenheit.

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Nach fast zwei Wochen Marokko wollten wir noch nach Melilla, der spanischen Enklave an der Nordküste Marokkos. Auf 13 Quadratkilometer tummeln sich 80000 Spanier. Der Kolonialismus wird hier gelebt und ist für den Otto-Normaltourist fast spürbar. Handeln möchte hier niemand, auch einen Maroc-Wiskey sucht man vergeblich. Hier möchte man sich abheben von den Marokkanern und Nordafrikanern – und schafft das auch – innerlich wie äußerlich.

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Der Verkehr ist ungefähr so stark wie am Gürtel zur Mittagszeit. Wo die alle hinfahren? Weit kanns nicht sein, denn viele Spanier fahren nicht über die Grenze. Die besteht aus zwei fünf bis acht Meter hohen Zäunen, stark bewacht mit Nachtsichtgeräten und groben Gewehren – EU-Außengrenze in Afrika.

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Die Stadt wirkt wie aus dem Disney-Bilderbuch, viktorianisch-stylisch, voll vorweihnachtlich dekoriert – erinnert an Barcelona, was keinen verwundert, weil beinahe alle Gebäude ein Architekt gebaut hat. Supersauber an der Frontseite, alle ordentlich und wohlerzogen. Kein Mäderl ohne Mascherl im Haar, keine Dame ohne hohe Hacken (Mamabert kommt sich vor wie der letzte Schlurf). Kein Familienoberhaupt ohne großem Auto oder zumindest einem großem „Padre“ vorne oder hinten sitzend. Ferrari-Kinderwagen werden stolz von Vorzeige-Omas an hell erleuchteten Schaufenstern vorbeigeschoben. Berts finden es dort sehr teuer (entgegen den Meldungen vom billigen Einkaufen dank Zollfreizone) und etwas gekünstelt. Es gibt nichts, was man nicht kriegen kann, samt aller gefakten Markenklamotten. Dennoch ist die Stadt sehr sehenwert, schöne Parkanlagen, Höhlenanlagen, ein prächtiges Fort aus unterschiedlichen Jahrhunderten trotziger Abwehr aller Angreifer – ein schicker Yachtclub ziert das Hafengelände – mit Badeterrasse samt Badeleiter ins wenig saubere Fähr-Hafenbecken. Wieviel muss man wohl zahlen, um da ein „Öl-Bad“ genießen zu können?

BildIm Yachthafen für Otto-Normal-Verbraucher nebenan schauts net ganz so hinreißend aus und auch der allgemeine Strand ist stark vermüllt. Viele Schiffe liegen an Land, zerstückelt, ausgemergelt, zurückgelassen.

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Gleich am Entree zur Hauptstraße – 50 Meter nach dem „Plaza de España“ steht das Freiheitsdenkmal von Melilla – „Un Grande Libre“. Die große Freiheit wird hier noch zelebriert – in der engen Kolonialstadt – umzäunt wie ein Hochsicherheitstrakt. Aber frei sein beginnt ja beim Frei-Fühlen, nicht?

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