Beiträge mit dem Schlagwort: Italien

Spaziergang im Toskana-Meer

 

Kann man auch mit einem Segelboot spazieren gehen? Kennt ihr das Gefühl, das beim Spazierengehen entsteht? Dieser leere Kopf? Der angenehme Blutdruck? Warum nicht mal den Kopf leeren und baumeln? Am Mast, nicht am Baum, nur am Mast … der Mast meint es besser mit uns, weil er viel gerader ist als ein Baum.

Ein kleiner Streifzug durch den Westen der Toskana, inklusive einer Totalumrundung der „Secce di Vada“, eine Untiefe, nicht weit der Küste entfernt. Da bedecken nur noch zwei Meter Wasser die Steine. Und nach dieser anstrengenden Eroberung baumeln wir wieder zurück – im immer gleichen Modus: Baumeln. Den Kopf noch leerer machen.

 

Kategorien: Reise Angenehm, Reise Unangenehm | Schlagwörter: , , , , , , , , , , , , , , | Hinterlasse einen Kommentar

Capraia im Frühling

Verdammt, waren das Gerüche in den Gassen von Capraia City, jeder einzelne lässt die Gene hochfahren, das Herzerl, die Romantik, versprüht Lebensenergie und Vitalität, mit Blütenoptik, Gras, Baumharzduft…. der Kreislauf, die nervliche Anspannung, die geistigen Horizonte, alles hebt und senkt sich, wogt dahin wie ein Korken im Wasser, bis Capraia drei Tage später achteraus in einer Nebelwand verschwindet und im Nirgendwo geheimnissvoll auf den nächsten Besuch wartet.

Bildergebnis für capraia

Wir standen drei Tage in einer traumhaften Bucht, der einzigen von Capraia im Nordosten, eine hübsche Einfahrt, ausgeschildert backbords mit einem cubistischen Kastello auf einem Steilfelsen und einem weiß getünchten Leuchtturm. Um die Ecke wirds etwas flacher, mit Steinen, Mauern, Beflanzungen kultiviert und mit einem Weg nach oben bis zu einem Torre. Da ist er wieder, dieser vertraute harzhaltige Geruch nach Zitrone irgendwie, aber auch nach Wein, Thymian oder Salbei. Blöderweise drängen beim Einlaufen in die Bucht zwei kürzere Hafenmolen ins Auge, so hoch aufragende Biester aus riesigen Steinen – aber – wer kann es den wenigen Einheimischen verdenken, wenn sechs Monate im Jahr schwere Brecher und Sturm die Beckdecken befeuchteln?

 

Dann gehen wir vor Anker im Bojenfeld, ankern verboten zwar – aber, das kann nur im Sommer gelten – wenn 50 Yachten die Bucht belegen und sicher auch beschallen. Die Bojen waren nicht mal gesetzt. Nur die Betonfundamente sah man im klaren Wasser bis auf zwölf Meter. Fünf Minuten später sitzen wir im Salon, schauen hinaus auf die Berghänge, die allesamt nach Sonne, Wein, Salz und Staub aussehen, dann essen wir die fette Rohwurst der Italiener und einen zu einer Rollade gepressten Speck, geil !! Im Urlaub kann man sich ja alles erlauben, oder? Vor allem, wenn einem die Fleischeslust in die Birne steigt…. Dazu ein gefügiger Espresso und das Schreien der Möwen. Ist das Urlaubsflair? Kanns was anderes sein? Das Leben, ja es ist zurück!! Ja, es ist,…. Yes, we can!!

Überhaupt sind wir um vieles mehr routinierter als noch bei unserer Reise durchs Mittelmeer im Jahr 2013. Nun haben wir keine Angst mehr vor den Geräuschen, die uns vor Anker so durch den Traum wackeln, wenn die Dünung reinläuft und Ilva in eine Pendeluhr ohne Kuckkuck verwandelt. Ohne Wind beginnts eben wild zu schaukeln, was ist das Problem?

Das Leben auf einer Insel erscheint uns sinnlos, weil es in keinem Zusammenhang steht. Und Capraia steht mit dem Nichts in Zusammenhang. Ganz allein, es taucht einfach aus dem Nichts am Horizont auf wie die Osterinsel. Und dann, bist du erst mal da, fahren genau die selben Autos wie am Festland, nur, du weißt, eigentlich können die gar nirgends wohin fahren. Es gibt hier nur 800 Meter Straße!! Das hindert einen Ducatiheizer aber nicht, die Kurve entlang der Bucht mit einem Aufheuler zu nehmen, aber so richtig molto bene!! Das ist ausnahmsweise ein richtig witziger Aufheuler. Weil, so ganz ohne Zusammenhang!! Von oben, von den Bergen aus sieht man bis aufs Festland, bis nach Piombino, Elba Richtung Südosten ist genauso präsent wie Korsika im Westen, mit tief verschneiten Bergen. Fassungslos stehen wir am höchsten Punkt von Capraia in einer Kirche aus Stahlträgern, die der Wind und das Salz verrotten ließ. Teile aus Blech liegen weiter unten in der Böschung. Auf einer Broschüre steht, dass es eine Forschungsstation war. Mit solchen Fenstern?

Unser Beiboot zieht erstaunlich viel Wasser. Unklar bleibt, wo es denn eigentlich reinkommt. Mamabert und ich fuhren mit leichter Motorkraft eine Runde in der Bucht, ehe wir in den Hafen liefen, ich am Motor, sie ganz vorne, mit einem Becher in der Hand, schöpfend. Oben auf der Bergstraße (bei schätzungsweise Straßenkilometer 0,4) standen ein paar Wanderer, die lachten, ja, unser fahrendes Regal, aus dem noch Wasser geschöpft wird, sieht sicher zum Zerkugeln aus.

Dann gingen wir in den Ort, gleich links rauf bis zum Torre, und dann verzweigen sich die Wege, einer vorbei an der Polizeistation, mit Innenhof für mindestens zehn Einsatzwagen, und Wohnhäusern mit Balkon mit oder ohne schön gestalteten Stiegenaufgängen.

Bereits am zweiten Abend hat der Kapitän einen Plan für den nächsten Tag erdacht. Zum Leidwesen von Mamabert war es sein fester Wille, einen Gipfelsturm zu wagen. So gings am Tag drei für zwei Stunden bergauf, meist auf einem gemauerten Weg aus umliegenden Steinen, schön gemacht, von — sagen wir mal, Sklavenhand?? Ein Weg, auf dem Spartakus in Richtung Rom oder sonstwo getrieben wurde, erinnerte uns unzählige Male an einen klassichen Via Roma, wir glauben, dass der Name des Wegs jedenfalls so lauten musste. Davor gingen wir noch in die Uffici des Hafens, nach einem Wetterbericht fragen: Che tiempo fa, äh domani?? War die Frage, wir bekamen einen Wetterbericht ausgedruckt, gleich fragten wir noch nach der Tankstelle, gleich neben dem Büro. Ja, bis zum Sommer gibt es nur Self-Service. Ok, gracie. Perfekt. Aber dann schauten wir uns die Tanke an und stellten fest, dass die Hafenmauer unterhalb der Wasserlinie nach draußen sprang. Da bohrten sich also Steine in Ilvas Seitenwand, außer man hat Fender der Marke „Supersize“. Wollten wir Ilva damit bestrafen? Niemals!!!

Bildergebnis für capraia

Nach geglücktem Besuch des Berggipfels auf ca. 400 Meter Seehöhe, einer verrosteten Kirche und so manch anderen Bauwerken mit niederer Festigkeit – außer einer drei Meter dicken Steinmauer, die vorm Nichts abzuwehren schien, kamen wir glücklich und zufrieden auf ILVA zurück. Beiboot abbauen, kochen, Kram verstauen, den Autopilot vorbereiten. Schon bald setzte ablandiger Wind ein – vor Anker ein Geschenk Gottes, dann noch ein Achterl rot, dann ab in die Koje, der Wind kam immer mehr in die Gänge, böig, schon fast 5 bft, dann 6, die Kette riss, neben uns eine Boje mit Blinklicht, die touchierten wir mittlwerweile, weil unser Schwojradius größer und größer wurde. So auch der Wind, schon sicher 7 bft. Wir wussten nicht, ob der Anker gerutscht war, dazu das Wissen und diese komische Dinger unter Wasser mit der losen Vorahnung, dass ich da am nächsten Morgen wohl oder übel tauchen musste – bei 15 Grad Wassertemperatur – und natürlich: Legerwall – hinter uns die Felsen! Ankerversatz einschalten, in die Koje und versuchen, dran zu denken, dass unser Anker noch nie nachgelassen hatte. Schließlich brach der Morgen an und alles war beim Alten. Schon vor dem Frühstück verließen wir die Bucht mit Autopilot, Kurs 60, Cecina im Fokus. Das Wetter war diesig, so hatten wir das Mittelmeer noch nie gesehen. Capraia verschwand schon nach 30 Minuten hinter uns in feuchten Wolken.

Das Schönste am kleinen Urlaub im Nichts war die Gelassenheit, mit der wir herangingen, das erweiterte Genussempfinden, die Freude ohne Stress. Wir hatten allen Spaß der Welt, allen Genuss der Welt, spürten das Dolce Vita, wussten wieder: Es ist möglich, das Dolce Vita versteckt sich gar nicht so aufregend kreativ, wie es manchmal tut, es lässt sich finden, man braucht nur ein Boot und eine Insel. Das reicht.

 

Kategorien: Reise Angenehm | Schlagwörter: , , , , , , , , , , , , , | Hinterlasse einen Kommentar

Cecina Nummer 1

Cecina – Landhaus im Rosa-Sauber-Stil – direkt im Wald vor Cecina gelegen. Im dichten Gebüsch fast nicht auszumachen. Ein Weg führt dahin, scheint aber eine Sackgasse zu sein. Das Licht fällt fast waagrecht in den Wald. Bei Sonnenuntergang – wie ein Waldbrand, 5 MInuten davor. Wow, hier müsste Lars von Trier mal einen neuen Waldfilm drehen. Er könnte sich die Scheinwerfer sparen. Dringend benötigte Gasflasche besorgt. Oui Capitan. Hinter drei Hausecken und zwischen 2 scharfen Hunden mitten in Cecina gelegen. Das war nicht leicht herauszufinden – obwohl viele Menschen in der Stadt wahrhaftig dran mitgearbeitet haben – Tankwart, Fleischhacker, Verkäufer in der Eisenhandlung (2 Mal),  Einkaufszentrum – Mann mit breitem Grinsen, Verkäufer aus dem Modegeschäft – bei all der Fragerei gleich Bekanntschaften geschlossen. Gracie. Nun können wieder die Menüs aus der schiffseigenen Kombüse geliefert werden – mit Volldampf. Wann ist Ostern?

DSC04599 DSC04601 DSC04603DSC04610DSC04613DSC04618DSC04622DSC04630DSC04632DSC04634DSC04635

Kategorien: Reise Angenehm | Schlagwörter: , , , , , , , , , , , , , , , | Hinterlasse einen Kommentar

Nochmals zurück zum Golf von Lyon, aber anders

18. Juli 2014. Es ist 1:13 Uhr, stockdunkle Nacht. Kurs 65. Es geht Richtung Coté ´d Azur quer zum Golf von Lyon. Wir hatten die Überfahrt gewagt, queren gleich den ganzen Golf. Das Wetter war gut angesagt gewesen, mindestens drei Tage sollten angenehmste Segelbedingungen herrschen. Nun aber ist Wind aus Nordwest aufgekommen, nicht viel aber immerhin mehr als in der Vorhersage. Wir sitzen zu zweit im Cockpit, trinken Grüntee und essen Kekse von vorgestern. Die Dinger sind irgendwie feucht. Aber was solls. Chips hängen jedem schon zum Hals raus. Etwas Süßes zu früher Stunde? Ja bitte gerne.

Jedenfalls gefällt uns der aufkommende Wind gar nicht. Wir checken nochmals die Grip-Files und schauen, ob wir vielleicht etwas übersehen haben, irgendwelche kleinen Huster von unserem so gefürchteten Windchen mit dem wohlklingendem Namen „Mistral“. Nein. Max vermeldet, es dürfte nicht mal ein Hauch von einem Windchen zu spüren sein. Nicht in der Nacht. Na gut, dann wird sich das gleich legen. Vermutlich nur ein kleines Druckspielchen zwischen den Luftdrückchen dieser Gegend. Plötzlich füllt sich das Segel. Wir werden eine Spur nach Steuerbord versetzt. Verdammt, was ist das? Die Windvane gleicht den Kurs gleich wieder aus. Wir fahren jetzt 2 Knoten schneller. Ilva legt sich auf die Seite und beginnt, leicht in den anrauschenden Wellen zu stampfen. Max fällt der Keks aus der Hand. Er ist zum ersten Mal mit einem Segelboot unterwegs. Ist eigentlich mehr ein Freund von rollenden Maschinen (genannt Autos), die auf der Straße so gar nicht von den Elementen abhängig sind. Segeln in der Nacht ohne was zu sehen ist so gar nicht sein Ding.
Plötzlich vermeldet das AIS einen Alarm. Nun gut, ein Tanker kreuzt unseren Kurs. Die kommen von Marseille und fahren Richtung Barcelona oder sonst wo hin. Ich hechte zur Windvane und versetze unseren Kurs etwas mehr Richtung 70. Das wird sich ausgehen, der Wind wird sich ja auch gleich wieder legen, versichere ich Max. Die Grip-Files zur Wettervorhersage haben bis jetzt immer gestimmt.
Plötzlich trifft uns die nächste Böe. Es ist keine Böe, es ist Wind, stetig, kräftig. Er ist kühl und trocken, so wie der Mistral. „Habe ich gerade Mistral gesagt?“ Verdammt, nochmal mehr? Sollen wir gleich reffen oder hört das Spiel gleich hinter den nächsten 25 Wellen wieder auf? „Wir gehen kein Risiko ein“, rufe ich zu Max. Wir reffen die Segel. Groß ins 2. Reff, auch die Genua rollen wir leicht ein. Mit dem 1-Leinen Reff-System ist das keine Schwierigkeit. Wir schießen in den Wind, verkleinern die Segel, fallen wieder ab.
Hier ist etwas im Gange. Ilva stampft wie wild auf den Wellen, die mittlerweile – Respekt und Dunkelheit abgerechnet – schon sicher 2 Meter hoch sind. Ich tue so, als sei das alles normal und gebe mich abgebrüht. „Das ist nur ein kleiner Druckunterschied hier mitten im Golf. Das müsste sich normalerweise gleich legen“, sage ich, ohne nun aber bald selbst nicht mehr dran zu glauben. Max schaut mich finster an. Vielleicht denkt er, ich verarsche ihn? Mittlerweile ist Herbert, das dritte Crewmitglied erwacht. Er hängt zwischen den Handläufen im Salon und fragt, ob er nun ein paar Stunden oder ein paar Tage geschlafen haben. „Ist alles ok“, vermelde ich. Das kleine Windchen dürfte eine kleiner Ausrutscher des Wettergottes gewesen sein. Der Wetterbericht verspricht eigentlich Totalflaute zwischen 22 und 6 Uhr früh. „Das wird sich gleich legen“, sage ich. „Aber wenn wir schon dabei sind, legen wir doch gleich die Rettungswesten an“, ergänze ich, „wer weiß, was noch kommt“. Und es kommt. Der Wind nimmt stetig zu, nun schon mindestens Windstärke 4. Die Wellen rauschen vom Norden heran und schieben sich unter unseren Hintern durch. Nun sind schon Schaumkronen zu sehen. Die Wellen überschlagen sich langsam immer öfter. Sie zischen laut.
Max wird langsam aber sicher unwohl. So habe er sich das nicht vorgestellt. Ja, ich weiß. Ist alles kein Problem. „Das Wasser kann Ilva nichts anhaben“, versichere ich ihm, weder bei Tag noch bei Nacht, weder bei Sturm, noch bei Flaute. Niemals! Nun gut, wir knallen nun auf Halbwindkurs fast schon mit 7 Knoten in Richtung Isle de Hyeres, Porquerolle oder die Nachbarinsel. „Bei dem Wind sind wir jedenfalls schneller da als erwartet“, sage ich. Ein bisschen Spaß, ein bisschen Optimismus bei allen Wetter-Unstimmigkeiten tut immer gut. Langsam aber sicher ist bei jeder Welle eine weiße Schaumkrone zu sehen. Der Mistral (der immer noch keiner ist, zumindest in meinem Kopf – denn das möchte ich jetzt nicht wahrhaben, um 2 in der Früh) bläst stetig und kräftig. Er nimmt auch in Böen nicht ab. Na das wird ja eine lange Nacht. Ich hole noch mehr Grüntee. Herbert gesellt sich auch ins Cockpit. Im Seglergewand und Stirnlampe versuchte er, sein Buch fertig zu lesen. Die erotischen Schriften von Georges Bataille. Na gut, da wird ihm sicherlich warm ums Herz, denke ich.
Ein lauter Knall. Verdammt, was war das? Ein Ruck geht durch Ilva mit samt ihren an Bord befindlichen Menschen, gefolgt von einem lauten Kratzen unter uns. Ein paar Sekunden lang dauert das. Eine gefühlte Ewigkeit. Eiskalt läuft es mir den Rücken runter. Wir hechten zur Reling, neigen unsere Köpfe Richtung Wasser, versuchen irgendwas im schwarzen Nichts zu erkennen. Was geht da vor sich? „Nichts zu sehen“, vermelden wir uns gegenseitig. Wir blicken uns an, so wie wir uns noch nie zuvor angeblickt hatten.
Eine weitere Böe trifft uns. Noch mehr Schräglage. Dazu kommen jetzt die Wellen wie kleine Panzer aus Richtung Nord und ergänzen sich mit dem Wind zu einer Front, die nur noch gegen uns zu kämpfen scheint. Wir können doch gar nichts dafür, denke ich. Wir sind doch nur unschuldige Bergmenschen mit dem Hang zur Extravaganz, nur ein bisschen Spaß, mehr ist es doch gar nicht. Auch Herbert holt sich seine Seglerjacke. Er verschwindet im Niedergang. „Hat jemand von euch ein Fenster offen gelassen?“, fragt er. Wir verneinen und fragen warum. „Da schwappt Wasser im Boot.“ Was? Wie? Wasser im Boot? Ich gehe nach unten. Tatsächlich. Ein kleines Rinnsal veteilt sich, je nach Lage im Salon. Es schwappt je nach Lage herum. Eine leere Kekspackung schwimmt oben auf. Es ist nicht zu sehen, woher das Wasser kommt. Wie lange brauchen wir noch bis Marseille? Ich krame die Karten hervor, trage unsere jetzige Position ein und messe. Immer noch 35 Seemeilen. Das sind mindestens 6 Stunden. Bis dahin wird es jedenfalls schon hell sein. Ich spüre, wie das Wasser langsam aber sicher höher steigt. Nun geht es mir schon bis zu den Knöcheln. Ich reiße ein Schapp nach dem anderen auf, hole mir den Taschenlampe und schaue, wo dieses verdammte Wasser herkommt. Es ist jedenfalls Salzwasser; also kommt es von draußen. Die Sache mit dem einlaufenden Wasser hatten wir schon mal vor mehr als einem Jahr. Damals war es aber nur das Wasser vom bootseigenen Tank. Nun garantiert nicht. Es ist salzig und bitter im Abgang. Ich kann nichts entdecken, kein Loch, keinen Riss. Aber alle Verkleidungen kann ich auf die Schnelle nicht entfernen. Und schon gar nicht bei dem Geschaukel.
Hatten wir tatsächlich etwas gerammt? Ungläubig und nicht mehr ganz so guter Dinge schaue ich nochmal auf die Seekarte. Welcher Weg ist der Kürzeste zur Küste? Nach Norden sind es nur etwas über 20 Seemeilen. Das wäre aber fast gegen den Wind. Das bedeutet stampfen und ein böses Auf und Ab über Stunden. Wir besprechen kurz die Lage. Ich gebe mich immer noch ruhig, sofern das noch glaubwürdig rüberkommt. Wir beschließen, nach Norden zu gehen, an die Küste, in den Hafen oder in der Nähe von Land, jeder hier an Bord möchte Land sehen, Land spüren, Handstände, Purzelbäume oder was weiß ich machen. Es geht jetzt nicht mehr um Urlaub, es geht ums Überleben. Nur irgendwie ans Land kommen.
„Wir brauchen keine Angst haben. Die Pumpen sind stark genug, um das bisschen Wasser abzupumpen. Das ist kein Problem“, höre ich mich sagen. Der Wind hat es sich nicht anders überlegt. Er ist gekommen um zu bleiben. Er hat nochmals zugegelegt. Windstärke 6, nach meiner Schätzung, ein klassischer Mistral aus Nordwest, der üblicherweise noch zunimmt auf 8 Beaufort.
Wir rollen die Genua ein, entkoppeln die Windvane und schießen in den Wind. Ilva stampft in den anrollenden Brechern. Manche von ihnen schlagen schon aufs Deck. Ich gehe zum Steuerstand, starte die Maschine. Sie kommt nicht. Nochmals. Vorglühen, ganz langsam bis sieben zählen, dann den Schlüssel rum. Der Starter kullert, aber die Maschine kommt nicht. Ich habe schon lange beschlossen, nicht mehr zu fluchen. Genau jetzt wäre das Gift für unsere Sandmühlen. Ich versuche es nochmal. Ich denke an einen Schwarzen Verlängerten mit Cremeschnitte bei der Aida im 9. Bezirk. Sonnenschein, verspiegelte Wände, die Kellnerinnen in ihrem Rosa-Dress. Das beruhigte mich immer. Ich denke an die Vitrine mit den Köstlichkeiten, Kardinal-Schnitte, Majonaise-Ei. Sieben. Nochmals starten. Der Starter arbeitet. Nichts passiert. Ilva stampft. Wir sitzen im Cockpit wie auf einem wild gewordenen Stier und schauen uns an. „Nun Leute wird es langsam ernst. Wir reißen uns jetzt zusammen und bringen das Boot zur Küste. Wenn nicht mit der Maschine, dann unter Segel. Wer will noch Tee?“ Niemand wollte Tee.
Auf einmal höre ich eine Ente quaken. Quak, Quak, Quak, Stilles brummen. Ich öffne die Augen. Ich reiße die Tür ins Cockpit auf. Max und Herbert liegen auf den Cockpit-Bänken. Beide heben die Köpfe. Ich sehe nichts als Zähne. Nichts von Wind, Unruhe, Nervösität oder gar Wellen zu sehen, hören oder spüren. Ich habe geträumt, jetzt ist es fix. Niemand bewegt sich schneller als üblicherweise auf einer Segelyacht. Worte werden gewechselt, der Himmel bestaunt. Eine schöne Szenerie. Die Maschine brummelt ruhig vor sich hin, der Autopilot bemüht sich. Fast kann ich es nicht glauben. Ich beruhige mich. Meine Schicht beginnt. „Wir kommen bald in die Nähe von Marseille“, vermeldet Max. „Ach ja, danke, ich komme gleich. Nur noch 5 Minuten.“ Ich knalle meinen Kopf in den Polster, schalte das Gequake des Handys ab. Ich muss mich noch kurz erholen von diesem Traum.

 

Kategorien: Reise Angenehm | Schlagwörter: , , , , , , , , , , , , , , , | Hinterlasse einen Kommentar

Die Liparischen Inseln – voll im Antrunk, mächtig im Abgang

Stromboli

Nach der Durchfahrt durch die Straße von Messina mit 3,5 Knoten Gegenströmung (die ist übrigens zwischen Vulcano und Cefalu noch deutlich zu spüren) und dem endgültig im Fahrwasser verblichenen Strudel(n) und Stromschnellen glitten wir mit Motorkraft in Richtung Stromboli. Schnell tauchte er auf aus der diesigen Umbläuung – kein Wind, keine Wellen, nichts was darauf schließen ließe, man sei in der Thyrreneischen See. Je näher wir kamen, desto mächtiger baute er sich auf, Vulkan mit Wolkenhäubchen, Einschnitte, Grasflächen wurden sichtbar, erste Häuser, Boote, Fährschiffe, in Häufigkeit stark steigend. Wir fanden Schutz an einer Mooringboje für die erste Nacht an der ungeschützen Nordseite im verträumten Tropenstädchen – zunächst mal – bis sich unser Kleinster am nächsten Morgen ans Schnorcheln machte und dem Kapitän mitteilte, die Mooringleine ist nur oben so dick, unten sei nur ein dünnes Seil dran, er glaube, die sei gar nicht richtig angebunden. Es folgte ein Captains-Köpfler ins Nass. Tatsächlich, nur ein Zwirnsfaden hielt die Plastikboje –also verlegten wir in das stark frequentierte Ankerfeld noch weiter nördlich. Knapp gings zu. Im seichten Wasser lagen die Boote wie Sardinen in der Dose, dazwischen (ja man glaubt es kaum) brausten die mächtigen Gummiwürste mit 300 PS an uns vorbei. Der Swell durfte sich sehen lassen. Der Besitzer der Mooringboje teilte uns dann freundlich mit, er verlange 40 Euro pro Nacht. Er komme später vorbei. Gekommen ist er dann nicht wieder – grins.

Schon in Reggio wussten wir, dass am zweiten Abend ein Gewitter anrollen sollte. Genau an dem Abend, an dem die Tour auf den Stromboli geplant war. 25 Euro pro Person, geführt, 940 Meter steil aufwärts bei Nacht. Vormittags noch mutig und in freudiger Erwartung, wurde unsere Angst doch schnell größer, nachdem sich um 13:00 Uhr keine einzige Yacht mehr im Ankerfeld aufhielt. Eiligst fuhren wir ab nach Panarea, einer kleinen – wie sich herausstellte – Partyinsel mit einer nach Westen hin geschützen Bucht.

Panarea

Mächtig waren sie – die Boxen im Ort Panarea und das Unwetter, das am Abend über uns hinweg fegte. Die angesteuerte Bucht war voll belegt, der Anker hielt an einem Mini-Plätzchen ganz in der Mitte vieler Boote nicht so toll, somit an die Mooring. Der Typ vom Mooringfeld verlangte 100 !!! Euro für das Anlegen, aber wir sagen euch, jeder Euro war gut investiert – zumindest in dieser Nacht (auch der Mooringmeister wusste, dass wir jeden Preis zahlen würden, bei DEN Wolkenformationen!). Windspitzen bis 40 Knoten rasten über uns hinweg, die See kam uns von allen Seiten nah an die Pelle, hob das Dinghi in der Welle so hoch, wie wir im Cockpit saßen, vielleicht hat es sich auch einfach draußen gefürchtet und wollte zu uns ins sichere Boot. Der Sturm ließ uns keine Minute schlafen, nur Kindbert überstand alles in der Vorschiffskabine (die, mit den meisten Schiffsbewegungen), büselte tief und fest bis in der Frühe. Er ist nun tatsächlich „seefest“ geworden. Es musste kräftig mitgesteuert werden, um Ilva das Dasein, angekettet an engen Leinen im (viel zu engen Bojenfeld), zu erleichtern. Von weitem war zu erkennen, dass das Zentrum des Sturmes weitab von uns durchzog und wir nur die Ausläufer zu spüren bekamen – die Wolken zogen rasch über den Himmel, wurden sichtbar wenn dahinter die Blitze zuckten. Etwas auf einer anderen Insel sah aus wie ein Lavaausbruch — hell gelb-orange hoch oben am Berg, aber wer weiß – vielleicht ein inszeniertes Schauspiel für finanziell potente Insulaner.

5:00 Uhr früh: Papabert nickte für 15 Minuten ein. Plötzlich ist das Nachbarschiff, ein schnittiges größeres Motorboot, nur mehr ca. 50 cm !! von unserem Bug entfernt. El Capitano hastet zum Steuerstand, startet die Maschine und fährt rückwärts. Das war knapp. Der Skipper der anderen Yacht war nicht zu sehen. Während des Sturmes kam der Mooringmann 2 Mal und sagte uns, wir müssen unseren Leinen verlängern, der Sturm sei zu stark. Ok, verlängert haben wir, aber nur bis zu diesem Vorfall. Segelboote und Motorboote haben unserer Meinung nach einfach andere Schwoj-Gesetzmäßigkeiten, das merkt man erst, wenns schon fast weh tut. Gottlob geht aber auch jeder Sturm einmal vorüber und es erscheint wieder ein Regenbogen um die Ecke. Wir verholten uns ein Stück weiter rüber – weil auch nicht mehr Swell und 100 Euro weniger tun auch gut — in ein Ankerfald vorm Ort. Das Anlanden war ein Kulturflash. Optische und akkustische Flutwellen von modernen Kulturlandschaften überrollten uns und wir flüchteten binnen Kurzem weg von den vielen Touris zum einzigen Ort, wo es ruhig war, dem Friedhof. Allen, die auf Panarea zur Ruhe kommen wollen, sei er ausdrücklich empfohlen.

Vulcano – Gelso

Ankern in Vulcano, in Porto di Levante – so hätten wirs gerne gemacht. Und es war auch noch gar nicht spät am Tage, als wor dort nach 3 schönen Segelstunden ankamen. Ein Typ von der Mooringboje war schon parat, fragte uns, ob wir eine wollten, selbstbewusst wählten wir die Worte Anchor, Anchor – er lächelte. Nicht ohne Grund. Das Ankerfeld und alles andere auch in diesem Teil des Meeres war schon von schwimmenden Untersätzen, Yachten, Megayachten und kleineren Fuzibooten belegt. Nixo Anchor bei unserer Kettenlänge – das schmerzt. Wir motoren angefressen um die Insel nach Süden, nach Norden, letztlich rundherum und finden schlussendlich eine Stelle in Gelso – nicht zu tief und nicht zu knapp zu den anderen Booten (die letzten Erlebnisse waren uns eine Lehre) einen Ankergrund auf sechs Meter. Bis dato war dieser Platz der ruhigste seit der ganzen Reise. Auch die Bucht ausnahmsweise mal ohne Disko, nur mit einem beschaulichen Standl und ein paar Sonnenschirmen, einem Hotel für an Einsamkeit gewöhnte Autisten, einer Mini-Mole und (dem Himmel sei Dank) einer Straße nach Porto di Levante. Wir haben nämlich unserem Kindbert eine Vulkanbegehung versprochen und der große Krater kann nur von dort aus begangen werden. Und los gings am nächsten Morgen per Bus in den Touristenpfuhl Porto di Levante. Kindbert war enttäsucht, dass aus dem Krater keine Lavabrocken auf uns geschleudert werden und wir nicht durch glühende Ströme flüssigen Metalls wandern mussten, aber ja, die heißen Schwefelherde oben am Rand der steinigen, heißen Rietschn waren ihm dann auch unheimlich, verdammt giftig das Zeug – aggressiver Dampf und heiß. Das war endlich einmal spannend genug.

Es ist verdammt hart, mit den modernen Medien und all ihrer hysterischen Aufgeregtheit bei einem solchen Trip mithalten zu können. Diesmal ist es uns gelungen, vielleicht, weil Mamabert eine tatsächlich sichtbare (wenngleich nicht zu schwere) Verbrennung von den Schwefeldämpfen davon trug und Papaberts Augen mächtig brannten. Kindbert dachte schon an eine bedrohliche Vergiftung. Entspannung brachte dann das Bad im Schlampfuhl…..heiß von oben, heiß von unten, überall blubberts gelb-grau und alle stinken gemeinsam nach faulen Eiern. Besonders sehenswert: weiße und sicher sündhaft teure Bikinis optisch einwandfreier Frauen und bodygebildete Männer mit eitergelben Stinkeschlamm besudelt. Gefällt uns – Roots, bloody roots.

Beim Ablegen nach Cefalu gabs noch einen kleinen Zwischenfall: Nach zehn Minuten Motorfahrt (kein Wind- eh klar) würgte unser Motor eigenartig. Zum Glück nur wenig Fahrt und gleich abgestellt – ist das Getriebe hinüber? Hat sich was in die Welle gezwängt, das nicht hin gehört – oder vielleicht was um die Schraube gewickelt?? Erst mal Genoa setzen, um nicht ins Kap zu krachen. Troubleshooting light – nach einem Blick in die Bilge war klar, das kann nur was am Propeller sein. Und tatsächlich: eine ewig alte Luftmatratze schwang sich über den Propeller und wollte in ihrem Leben noch ein letztes Mal wichtig sein. Aber nicht mit uns – in schwarzer Taucherbrille und Wednesday-Unterhose (das beliebteste Segleroutfit) war es dann rasch klariert. Der Schreck blieb eine Zeit in unseren Gliedern stecken – so schnell kanns gehen. Und wer sich fragt, ob das für Kindbert nicht spannend genug war – der hat geschlafen.

BildBildBildBildBildBildBildBildBild

Kategorien: Reise Angenehm | Schlagwörter: , , , , , , | 2 Kommentare

Nachtrag: „Bei Italien unten dann rechts“

„Bei Italien unten dann rechts“ lautete oft die Antwort auf die Frage: „Wo wollt ihr denn eigentlich hin?“. Bei Italien unten dann rechts. Je näher das Ende der Bauphase rückte, desto öfter wurde sie gestellt, so schien es uns. Aber what the hell bedeutete das eigentlich? Etwaige Leerstellen taten sich bei Befragten und den Befragern auf, was den Gesprächsfluss normalerweise aber nicht hemmte.
Yachten haben ja keinen Blinker, vielleicht ein paar Lichter in allen möglichen Farben, aber dieses Rechts-Abbiegen war leichter gesagt als getan, ohne Vorstellung vom Spurwechseln auf einem Meer.
Jetzt – bei der ersten Ankerwachen – und nach dem Abbiegen – gibt es zumindest einige Antworten, die den damals Fragenden auf diese Weise nachgereicht werden können. Wer mittlerweile eine Antwort gefunden hat, kann nun getrost in anderen Websites surfen – wer sich vom nachfolgendem Text eine erwartet, wahrscheinlich auch.
So wagen wir eine lose Zusammenschau äußerer Veränderlichkeiten, die uns bei der Durchreise ins Auge gesprungen und im Hirn geblieben sind – oft auch ohne Sinn und Zweck.

 1. Die Grillen zirpen leiser, die Stranddiskotheken werden hingegen lauter. Lauter wird auch unser Beiboot und potenter! Endlich haben wir einen Außenborder erstanden. Honda 2.3 Aircooler. Die Fischer in Ciro Marina waren erstaunt, wie rasch sich unser Portaklappboot aus der Nachkriegzeit (wenn du es mal nicht findest, such nach einem beigen Ikea-Kasten oder einem umgekippten Bücherregal) zu einem 007-Bond-Mobil aufrüsten lässt.
Verdanken tun wir den Erwerb des Motoris erstaunlich vielen Personen, die uns unterstützt haben – der freundlichen junge Herr im Marina-Hafen-Beisl, der – ohne uns genau zu verstehen – unser persönliches Taxi-Unternehmen war, weil es im Ort kein Taxi mehr gibt. Ob das wegen der Krise ist, war nicht zu klären. Signore Salvatori Flori und seine Mannen im Flori Motori Shop (den wir hiermit ausdrücklich lobend erwähnen wollen und der bitte wirklich so heißt!!), die – immer heiter wie es uns erschien – trotz unseres wahrscheinlich eigenartig anmutenden Auftritts (aus dem Nichts erscheinend, mit etwas Bargeld in der Hosentasche, ohne Fiskalnummer (wos is des?), Ausweis, Italienisch-Kenntnissen und mit tagelang getragener Wäsche) Geduld, Muße, Humor und ihr Wort gehalten haben.

2. Die Siestas werden ernst genommen, dann gibts auch kein Essen in der Bar Centrale, in der abends auch der Wein endete, aber schon bevor der Kapitano bestellte!

3. Hässliche Bettenburgen weichen richtigen Castellen aus alter Zeit.

4. Manche Dinge des täglichen Lebens werden (noch) billiger, wie z.B. Liegeplätze oder Wassermelonen. Letztere bleiben leider dennoch gleich schwer und stellen somit trotz ihrer Beliebtheit bei der Crew eine Herausforderung für die Einkaufslogistik dar. Wasser oder Wasserlemone – beides ist einfach nicht zu „dazahn“. Andere Sachen verschwinden gänzlich aus dem Blickfeld, z.B: Sauerrahm oder Wetterberichte oder die Duschen in den Marinas.

5. Englisch als Mittel zur Verständigung und W-Lan als Mittel zur Verbindung zur Außenwelt werden zur Gänze unnützt, bzw wirken extraterrestrisch. Da hilft ja spanisch noch besser um in Internetcafes schwitzend vor überalterten Win 98 Programmen zu sitzen beim Email schreiben.

6. Die Delphine (auch die Quallen bittesehr) sehen hier größer aus und sind viel weißer, was gut ist, weil man sie dann besser im Wasser ausnehmen kann.

7. Es bellen viel mehr Hunde in den Gärten der Häuschen in den kleinen Buchten. Wir sehen auch weit mehr Müll – zu Wasser und zu Land, leider – und es galt, die ersten Ölplattformen zu umrunden.

8. Die Kursnadel zeigt schon ein W (vielleicht steht es ja für „winterlich warm“) vorne in der Kurve und die Sonne scheint nun kaum mehr nach Mittag über der rechten Schulter sondern meist von schräg rechts vorn. Das ist gut, weil damit stimmt der Kurs, aber auch blöd, weil da nutzt das Sonnensegel vom Cockpit nix.

 9. Manche „neu erworbenen alten“ Bücher werden aus dem Regal nach vorne gekramt und nächtens gelesen, z.B. das Thyrrenische Meer, 1979 (im Hafen mit Urs aus der Schweitz gegen das Pielachtalbuch von Fritz getauscht), andere werden begeistert nochmals von vorne begonnen, wie z.B. Tom Sawyer von Mark Twain, weil es Kindbert hinlänglich amüsiert.

10. Es gibt nicht mehr soviel zu fluchen wenn die Selbststeueranlage neu justiert werden muss und letztens gelang sogar ein Manöver, ohne sie auszukuppeln. Wenn der Wind dann noch wenigstens etwas gehustet hätte, hätts funktioniert. Ganz sicher.

11. Der Geschwindigkeitsmesser möchte sich anscheinend nicht mehr aufs schnöde Messen reduzieren lassen und hat seinen Job an den Nagel gehängt, gleich neben ihm hat Garmin erfreulicherweise endlich akzeptiert, dass Yachtunfälle vor der kroatischen Küste außerhalb unserer Reichtweite liegen und endlich aufgehört „Notfallsignal“ zu piepsen. Dies tat er beinahe ohne Unterlass die letzten 3 Tage – was sein sonstiges 24h-Engagement auf eine Breaking-News-Tätigkeit beschränkte.

Um die Ecke ist eben vieles anders, mehr, als man zuerst denkt. Manches bleibt aber auch gleich: Die klaren Sternenhimmel, die Tagesetmale rund um die 40 Seemeilen um nach Sizilien zu kommen bevor der Herbst da ist, die Herausforderung, dass 3 unterschiedliche Personen ihre Bedürfnisse auf kleinstem Raum stillen wollen, die Schwimmrunden ums Boot (absolutes Novum: Quallen-Ausguck vom Deck aus, damit die Schwimmer sie nicht zwischen die Zähne kriegen) und die gemeinsamen Fussball-, Schnorchel- und Brettspiele, die abendlichen Spaziergänge, die Sorge um die Funktionstüchtigkeit aller Gerätschaften, die nächtlichen Gelsen-Jagden nach harten Attacken, das Telefonieren mit zuhause zu feierlichen Anlässen. Auch der Sound von Kindberts Tom-und-Jerry-Collection und das Lachen von Alf über unsere Boot-Sound-Anlage – und unseres hoffentlich auch.

Kategorien: Reise Angenehm | Schlagwörter: , , , , | Hinterlasse einen Kommentar

Brindisi – Perle im Abfall

DSC00527 Brindisi hat uns echt überrascht und Entspannung gebracht. Nach zwei Nächten vor Anker (mit voller Disko-Dröhnung bis 3 Uhr in der früh volle Kanne „Onki, Onki, Onki, Onki“) und auffrischendem Wind inklusive hohem Swell von der Seite versuchten wir um 6 in der Früh so schnell wie möglich in den Hafen zu kommen. Hoher Seegang vor der Einfahrt, fast hätte er unsere Ilva verschluckt. Dann kommst du rein in das Hafenbecken und du bist dir nicht mehr sicher, ob nicht doch hier die erste Atombombe hochgegangen ist. Riesige Schiffe, eine gehörige und gestunkene Raffinerie (klar, irgendwo muss das Zeug ja herkommen), Schlepper, heruntergekommene irgendwann-mal-stabile-Kastellos, man glaubt, dass das nicht mehr besser wird. Aber: Brindisi hat eine tolle zweite Seite. Erst mal, die Altstadt. Enge Gassen voller Autos und Mupetten (wie wir im Pielachtal sagen), morbider Flair… genauso, wie man sich das so vorstellt.
Wir hatschten bei Tropenhitze nach einem schwer improvisierten Starkwind-Anlegemanöver (gottlob hat da niemand zugesehen….) müde die 2 km bis Brindisi – Downtown. Warum die da drinnen alle mit den Autos herumfahren wie wilde Italiener wissen wir nicht. Ein Rad würds auch tun, die Autos sind Ein-Mann-Betriebe. Im Vorbeigehen touristisieren wir kurz am Tancredi-Brunnen (mehr als 1000 Jahre alt) und in einer Kirche aus dem 1. Jahrhundert – dafür gibts keine Süßigkeiten oder gar Gerstensaft während der streng überwachten Siesta. Siesta ist zum Ausrasten, für nix anderes.
Zum Glück hatte der Marine-Shoppe Limoncelli einen 40mm Auspuffschlauch. Das Geschäft würde man nie finden, auch wenn man daran vorbei gehen und in die Auslage starren würde. Wir fragten uns einfach durch; die Leute hier sind sehr nett und offenherzig, und das auch ohne Englischkenntnisse. Jede Frage in unserem fantasievollem oder nicht vorhandenem Italienisch wird akribisch beantwortet, bis ma´s versteht. Selbstverständlich und ohne Eile.
By the way – auch die Marina-Mama Katharina in Vieste (am Kap von Gargano) servisierte uns königlich, war mitten in der Nacht erreichbar und telefonierte mit allen möglichen Händlern, um Preise für unsere bevorstehende Auspuffreparatur herauszufinden; der immer-arbeitende Marinamann, der uns eine Stiege bringt, damit wir leichter von unserem Bugkorb an die Pier flanieren können —- SeglerInnenherz was willste mehr.
Und noch dazu nette Nachbarn, die einfach so, wie bestellt, die passenden Seekarten für unsere Route haben und diese samt Liegeplatz-Geheimtipps billig abgeben. Nochmals vielen Dank an Urs, der übrigens ein Boot abzugeben hat und irgendwo allein in der Adria herumschippert.
Nun ankern wir fern ab der Adria, im Ionischen Meer, am südlichsten Zipfel von Italien. Es ist halb vier und ich habe Ankerwache. Es ist unglaublich und vielleicht verrückt. Als wir die Adria verließen und ums Kap (Castrignano del Capo) herum gingen, begann die Luft anders zu riechen, milder, samtiger. Mamabert meinte, vielleicht ist hier irgendwo in der Nähe eine Mülldeponie. Aber nein, nach ca. 500 Mal einatmen erwächst in uns die Überzeugung, die Luft ist hier anders als noch in der Adria. Ich habe das noch nie irgendwo gelesen, dass nach einem Kap sich die Luft, der Geruch der Luft verändert. Auch die Preise haben sich verändert – es ist noch etwas billiger hier – erleichternd nach den teuren kroatischen Wochen…..Wir sind noch ca. 60 Seemeilen entfernt von der westlichen Seite des Stiefels. Morgen gehts weiter, hoffentlich mit etwas mehr Wind. Der war nämlich die letzten 2 Tage auf Urlaub, wo auch immer er geblasen hat, bei uns nicht.

DSC00542 DSC00551 DSC00543 DSC00544 DSC00545 DSC00548

Kategorien: Reise Angenehm | Schlagwörter: , , , , , , , , | Ein Kommentar

Das Nichts, Das Nichts!

Wir haben das Nichts gesehen. Nicht lange, nur einige wenige Stunden zwischen der letzten kroatischen Insel VIS (sehr schoen!!) und der Gargano Halbinsel (sandig und good old Italy), zum ersten Mal kein Land mehr im Blickfeld. Und auch fuer den Fall, dass es unglaublich klingt, auch das Nichts ist teilbar….sogar durch viele. Wir haben es mit grossen Tank- und Faehrschiffen geteilt, deren Route wir kreuzten. Gleich nach der Abfahrt – nach ca. einer halben Stunde Motorfahrt musste der Kapitaen noch kurz den Keilriemen wechseln (schon mindestens zum 4. Mal), der war naemlich wieder mal durchgebrannt. Heisse Lichtmaschine durch schnelle Ladung. Ja – kein Vorteil ohne Nachteil. Damit die Situation etwas besser in unsere spannenden Reisereportagen passt, war dies gerade zwischen vielen, kleineren Inseln noetig. Ilva trieb mit der Stroemung unter der Hand von Mamabert einfach zwischen ihnen hindurch.

Erstmal haben wir auch das neue Zaumzeug von Ilva (die Windfahnensteuerung) im Testlauf erlebt. Ging ganz gut und es stellte sich ein eigenartiges neues Gefuehl von Freiheit ein. Nicht-Steuern-Muessen. Der Wind nahm stetig zu, der Reihe nach, wie von Herrn Beaufort aufgelistet. von 0 bis 7 , schoen der Reihe nach – die letzten 3 Stunden mit hohen Wellen von rechts (dramaturgisch interessant, wenn man schon seit 4 Stunden die Kueste sieht), noch interessanter bei Nacht und ohne Hafenkarte. Fast haetten wir am Badestrand angelegt, der gruene Blinker der Einfahrt war naemlich defekt. Showdown gabs dann beim Anlegen in der Marina…. kaum zu bremsen war Ilva nach 16 h mit Spitzen von 7,8 Knoten Fahrt, so rasch auf  Null, dass wir uns an einem anderen Boot festkrallen mussten, um nicht ueber den Anlegesteg zu rauschen. Bild

Kindbert fand es endlich einmal spannend – Vollmondsegeln, er fands besser als am Tag!! Summasummarum und Simsalabim: alles geschafft, alles gut, alle freuen wir uns auf die naechste Pizza a la Italia!!Bildl

Kategorien: Reise Angenehm | Schlagwörter: , , , | Hinterlasse einen Kommentar

Bloggen auf WordPress.com.